Glaubensfragen

20 Fragen an Pfarrerin i.R. Gabriele Alma Barolin, Pfarrer i.R. Harald Geschl und Superintendent i.R. Hermann Miklaus

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Hermann Miklas: Also jetzt fange ich einfach mal an. Ich bin überhaupt nicht religiös erzogen worden. Ich habe ja mit Kirche als Kind gar nichts zu tun gehabt. Als ich dann im Konfirmandenunterricht in Kontakt gekommen bin, hat mich das fasziniert. Meine Großmutter, eine entschiedene Linke, hat später gesagt, das ist die größte Schande meines Lebens, dass aus meiner Familie einer ein Pfaffe wird. Aber das hat mich noch mehr bestärkt. Ich habe dann gefunden, das ist mein Weg. Er hat mich fasziniert und ich habe nach einer relativ schwierigen Kindheit im christlichen Glauben etwas ungemein Befreiendes erlebt. Und das wollte ich gerne an andere weitergeben.

 

Gabriele Alma Barolin: Also da kann ich nahtlos anschließen. Meine Familie war zwar nicht links, leider, sondern sehr, sehr konservativ, haben mich in eine Klosterschule gesteckt. Dort war ich schon sehr berührt von Glauben und habe dann noch einen tollen Pfarrer gehabt, meinen Vorgänger Friedrich Preyer aus Liesing. Ganz progressiv, ganz mutig, ganz liebevoll. Ganz toll. Der mich total begeistert hat. Sowohl im Religionsunterricht als auch im Konfirmandenunterricht. Für mich war es auch was ganz Befreiendes und meine Familie hat auch gefunden Da ist was daneben gegangen. Wir haben dich eigentlich in diese Schule geschickt, damit du Diplomatin oder irgend so was wirst, aber sicher nicht Pfarrerin. Für mich war dann ausschlaggebend, dass ich einfach Menschen ermutigen wollte in ganz verschiedenen Lebenslagen. Und haben wir gedacht, so vielseitig wie der Pfarrer Beruf ist, es gibt sonst nicht. Und das sozusagen aus der Kraft Gottes heraus, hat mich sehr begeistert und sehr beflügelt.

Gabriele Alma Barolin:  Ja, dann wäre ich, ich habe damals sehr diskutiert mit meinen Eltern, die wie gesagt gefunden habe, ich soll irgendeinen sehr gut Verdienberuf machen. Ich wollte Sozialarbeiterin und dann Entwicklungshelferin werden. Das fanden sie auch ganz, ganz fürchterlich und unmöglich. Und wenn es mir damals schon bekannt gewesen wäre, das war Ende der 70er Jahre, dass es Psychotherapie gibt, dann hätte ich wahrscheinlich diese Ausbildung auch gerne gewählt. Also irgendwas zwischen Sozialarbeiterin, Psychotherapeutin, Entwicklungshelferin.

 

Hermann Miklas: Also ich hätte Deutsch und Geschichte studiert, wäre Lehrer geworden. Und weil man damals auch für Geschichte Griechisch können hätte müssen und für Theologie auch und die noch nicht ganz sicher war, habe ich ab der fünften Klasse privat einmal Altgriechisch gelernt.

 

Gabriele Alma Barolin: Das habe ich nicht, das habe ich erst auf der Uni nachholen müssen.

Harald Geschl: Für mich ist das klar und deutlich. Eine Berufung, gar keine Frage. Allerdings kann ich gleich einschränkend oder muss ich einschränkend wieder dazu sagen: eine Berufung sollte man für jeden Beruf haben. Jemand, der nur einen Beruf ausübt, der hat einen Job. Wer eine Berufung hat, der hat ganz was anderes. Das gilt für den Bäcker, das gilt für den Lokomotivführer und selbstverständlich auch für Pfarrerinnen und Pfarrer. Wer gar keine Berufung in sich spürt, der wird in diesem Beruf (auch in anderen Berufen ohne Berufung) wahrscheinlich nicht glücklich werden.

 

Hermann Miklas: Harald, da kann ich dir nur vorbehaltlos zustimmen. Das denke ich mir genauso. Und das hat auch Luther so betont. Jeder Beruf kann und soll Berufung sein. Sogar Politiker sind hoffentlich berufen.

 

Gabriele Alma Barolin: Hoffentlich, kenne auch gute.

 

Harald Geschl: Manche sind aber nur gewählt.

 

Gabriele Alma Barolin: Das Wort Beruf kommt ja von Berufung, die Luther geprägt hat. Deswegen haben wir überhaupt diesen Ausdruck. Ich möchte dazu schon ein bisschen sozialkritisch sagen, ich arbeite mit sehr vielen armen Menschen, ehrenamtlich und Flüchtlingen. Die können sich bei Gott nicht aussuchen. Also ich würde mal sagen, grob geschätzt 90 % der Weltbevölkerung können sich nicht aussuchen, was sie für einen Beruf haben, sondern brauchen es zum Überleben. Sind in einem Beruf hineingeboren, in eine Werkstatt, in irgendwas. Ja, also das heißt, es ist eigentlich ein akademisches Problem, würde ich fast sagen.

Hermann Miklas: Also ich sag zuerst einmal, woran ich nicht glaube. Ich glaube nämlich nicht daran, dass alles, was religiös ist, gut ist. Es gibt Formen von Religiosität, die halte ich bis heute nicht oder nur ganz schlecht aus. Wenn ich etwa an die Rolle der russisch orthodoxen Kirche im Moment denke, in Ukraine Krieg, muss ich sagen, das ist nicht mein Verständnis von Glaube. Und es gibt andere Position und gesellschaftspolitische Art, wo ich sage Das hat mit dem befreienden Evangelium, wie ich es erlebt habe, nicht das Geringste zu tun. Wo immer Religiosität und Religion einschränkend ist, lebensfeindlich ist, will ich nichts damit zu tun haben.

 

Gabriele Alma Barolin: Evangelikale Religiosität ist oft so, nicht immer, aber.

 

Hermann Miklas: Nicht immer so ich habe vieles auch der evangelikalen Bewegung zu verdanken, aber dort, wo sie einschränkend ist, lehne ich es absolut ab. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist: Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Das ist einer der Grundsätze und es muss dem Leben dienen und nicht der Begrenzung des Lebens. Und es muss natürlich dem Frieden dienen und nicht dem Krieg, der Gerechtigkeit dienen und der Bewahrung der Schöpfung.

 

Gabriele Alma Barolin: Das ist schön formuliert! Ja, ich denk, ich werde oft oder wurde oft gefragt natürlich, was ich wirklich glaube. Besonders Schüler fragen da oder Schülerinnen sehr kritisch und ernsthaft wollen das jetzt echt wissen. Was glaubt die Religionslehrerin oder Pfarrerin? Und ich drücke es immer wieder verschieden aus, aber ein Bild, das ich sehr liebe ist, Gott ist für mich das Netzwerk der Liebe in der Welt, das alle und alles miteinander verbindet und wo Gewalt passiert, übrigens auch seitens des Westens jetzt gegenüber in diesem Krieg. Diese Aufrüstung finde ich gar nicht mehr lustig, um das zu ergänzen. Aber natürlich auch von Russland, aber auch privat. Wo Menschen sich verletzen, sich fertigmachen, sich trennen, sich stören und zerstören, da wird dieses Netzwerk ein Stück weit zerrissen und damit sozusagen Gott selbst zerrissen. Das ist auch für mich wie dieses Kreuz, wo Jesus gekreuzigt wird. Gott selbst wird kaputt gemacht, ein Stück wird oder wo wir Schöpfung zerstören. Und unsere Aufgabe ist wie die von Christus sozusagen uns wie ein Stück Netzwerk, wie ein Kreuz kann man sich in einem Netzwerk auch vorstellen, wieder zu verbinden. Diese enden so, dass das Netzwerk der Liebe weiter glühen und leben und befeuern und glücklich machen kann.

Gabriele Alma Barolin: Nein, ich habe das nicht bereut. Es ist der spannendste Beruf, den ich mir vorstellen kann. Und der vielseitigste. Also von Einzel, Seelsorge bis zu Begräbnissen und Sterbebegleitung bis hin zu politischem Engagement für Flüchtlinge, für Gerechtigkeit, für Frauen. Arbeiten mit jungen Menschen, Kindern, Erwachsenen. Es ist einfach toll. Mit was ich gar nicht gerechnet habe, war so viel Widerstand und Kampf in den eigenen Reihen. Da habe ich sehr viel Schmerz und Verletzung erlebt und das hat mich auch viel Substanz gekostet. Aber ich würde sagen, es war zwar unerwartet, aber trotzdem hat sie es ausgezahlt, Pfarrerin zu sein, weil das einfach ein toller Beruf ist.

 

Hermann Miklas: Ich kann in einem Punkt nahtlos anschließen. Ich habe es auch nie bereut. Wirklich keine Sekunde meines Lebens. Wie wir dazugekommen sind, haben wir ohnehin bei einer anderen Frage schon beantwortet. Ich hatte das Glück, wenig solchen Widerstand zu erleben. Dafür ganz viele tolle Situationen im Büro. Im Büro, in der Superintendentur in Graz, so dass ich echt in der Früh Spaß gehabt habe, ins Büro zu gehen, weil das so eine tolle Atmosphäre war.

 

Gabriele Alma Barolin: Ja, das kenne ich schon auch.

Harald Geschl: Ich möchte ein bisschen an die Vorfrage noch anschließen. Ich selber, aber das ist ja ein Einzelschicksal sozusagen, war nicht nur Pfarrer in meinem Leben, sondern nach einer halbwegs gelungenen Manager Karriere habe ich mich erst fürs Theologiestudium entschieden und dann bin ich in dieser Kirche tätig geworden. Gut 30 Jahre. Die evangelische Kirche ist für mich allerdings Teil der gesamten Gesellschaft. Und deswegen muss man diese Frage, was hat sich zum Guten oder Schlechten entwickelt? Leider weitergeben. Ist die Gesellschaft insgesamt gut oder besser oder schlechter geworden? Für die evangelische Kirche muss ich mit großem Bedauern feststellen: weniger sind wir auf jeden Fall geworden. Und wenn die Kirchen und dann nehme ich alle anderen gleich mit, wenn die Kirchen ihre Kernkompetenz vergessen und das ist das Reden über Gott, dann fürchte ich, dass es sich schlecht entwickeln werden. Das heißt nicht, sie sollen diakonisch tätig sein oder sonst was. Aber die Kernkompetenz unserer Kirche ist das Reden über Gott.

 

Hermann Miklas: Also ich habe das Glück gehabt, dass ich in drei komplett verschiedenen Positionen war. Zehn Jahre im Kohle Revier in der Weststeiermark, 15 Jahre in der Inneren Stadt in Wien und 20 Jahre als Superintendent wieder in der Steiermark. Drei komplett verschiedene Herausforderungen, die ich alle extrem genossen habe und spannend gefunden habe. Aber Kirche ist natürlich immer im Fluss, da sind wir uns einig. Und die Reformation sagt ja, dass auch semper reformanda est. Ecclesia semper reformanda est. Sie soll auch immer im Fluss sein und sich verändern. Ich finde Kirche, an der evangelischen Kirche selbst ist manches in dieser Zeit besser geworden, vieles sogar besser geworden. Die Rahmenbedingungen haben sich verschärft, die Herausforderungen sind stärker geworden. Manches innerhalb unserer Kirche ist vielleicht auch schlechter geworden. Dazu später noch. Aber ich würde sagen, insgesamt die Richtung stimmt.

 

Gabriele Alma Barolin: Vielleicht möchte ich auch noch etwas ergänzen. Also als ich da ganz jung eingestiegen bin, war es noch ein sehr autoritäres Verhältnis von der Kirchenleitung zu den Pfarrern, Pfarrerinnen und zur Bevölkerung. Und auch innerhalb der Pfarrgemeinden war das heute eher autoritär geführt. Von den meisten, also unsere Pfarrgemeinde war da wirklich eine Ausnahme. Und das hat sich sehr verändert, hin zu einem einem Miteinander auf Augenhöhe, sowohl von der Kirchenleitung her als auch österreichweit und Bundesland weiter als auch zu der von den zwischen den Pfarrern, Pfarrerinnen und den Menschen. Das finde ich. Und die Frauengleichberechtigung, die war noch nicht gegeben, als ich zu studieren begonnen habe. Also es hat sich vieles auch zum Guten gewendet.

Hermann Miklas: Ja, ich war in der seltsamen Position, dass ich auch Prüfer im Pfarramts – Prüfungen war und Gottesdienste mit Noten zu beurteilen hatte von jungen Kolleginnen und Kollegen. Das ist irgendwie schräg, trotzdem auch natürlich reizvoll. Unabhängig davon bin ich nicht nur gerne Pfarrer gewesen, sondern bin ich bis heute leidenschaftlicher Gottesdienstbesucher. Ich geh, wann immer ich kann, in die Kirche. In der Coronazeit natürlich auch oft digital. Ich habe auch das große Angebot genossen.

 

Gabriele Alma Barolin: Deine Großmutter wäre verzweifelt, dass du das jetzt immer noch gerne das machst.

 

Hermann Miklas: Ganz eindeutig. Und natürlich sehe ich manches kritisch und bei manchen denke mir, Oh weh, das hättest jetzt besser nicht tun sollen. Vor 14 Tagen, vor drei Wochen habe ich einen Gottesdienst erlebt, der schönste Gottesdienst, der mir je untergekommen ist. Das gibt’s auch. Und lernen kann man von beiden. Man kann’s, während man sich denkt: Okay, so würde ich es nicht machen. Man kann lernen, von dem, wie es wie toll ist, Anregungen aufnehmen. Und Dietrich Bonhoeffer hat mich gelehrt, der hat einmal gesagt, vor allem auch zu jungen Vikaren: Wenn ein Gottesdienst einmal gehalten worden ist, darf man ihn eigentlich nicht mehr nur kritisch sehen, weil man muss immer damit rechnen, dass das, was dort geschehen ist, für Menschen zur Anrede Gottes geworden ist. Auch wenn es handwerklich noch so schlecht gemacht war.

 

Gabriele Alma Barolin: Das hast du jetzt schön gesagt! Gscheid! Und einfühlsam und aus deiner Erfahrung gesprochen. Ich geh eher unregelmäßig in die Kirche. Es kann sein, dass drei Sonntage hintereinander hingehe und dann wieder zwei Monate nicht. Also es ist wirklich so, wie es mich freut und ich genieße diese Freiheit auch sehr. Also was ich jetzt erlebt habe, freuen mich sehr die jungen Pfarrer und Pfarrerinnen und denke, mit was für einer Kraft und Kreativität sie reingehen. Auch wie gut sie jetzt mit diesen technischen Notwendigkeiten umgehen, die in Corona Zeiten da aufgetreten sind und wie tapfer sie in diesen ich finde sehr schwierigen Zeiten der Pandemie da das Leben, also da bin ich voller Ehrfurcht und es ist auch mein großer Wunsch, sie zu unterstützen, zu bestärken, zu loben, wenn man das so sagen kann, wenn ich, wenn ich rausgehe, wenn ich bei arrivierten Pfarrern oft bin, also eher passiert mir das bei Männern, bei Frauen selten sagt ich bin, na ja, bin ich. Also ich bin schon ein kritischer Mensch, dann halte ich das oft gar nicht aus, wenn Sie so das obabeten, wie die Leute sagen und so nach Schema F und das habe ich euch schon 1000 Mal gehört und das ist nicht interessant und nicht aufs Heute bezogen und nicht übersetzt in die menschliche Realität, in die Gesellschaft, in das persönliche Leben der Menschen. Und Lieder von vor 500 Jahren, die den Jungen vollkommen fad sind und keine angenehmen „Ich bin hier daheim“ Gefühle vermitteln. Also dann bin ich echt unglücklich und manchmal bin schon rausgegangen, wenn das eine Kirche ist, wo mich niemand kennt.

Hermann Miklas: Liebe Gabriele, jetzt schließe ich gern an dich an, aber zunächst einmal verweigere ich mich gegen das Wort Predigt schreiben. Predigt ist keine schreibe und vorgelesene Schreibe, sondern Predigt ist immer Rede. Und ich habe keine Predigten geschrieben, sondern ich habe sie vorbereitet. Natürlich habe ich immer ein Manuskript gehabt. Sonst kommt man in Schwafeln. Das möchte ich nicht. Aber ich habe die meisten Predigten meines Lebens entweder im Gasthaus oder im Kaffeehaus vorbereitet, weil ich immer gedacht habe, ich schaue mir das, such immer irgendjemanden aus, schau immer, wenn der oder die am nächsten Sonntag da wären, was würde die interessieren? Und natürlich, wie soll ich sagen, man lässt sich doch immer auf die Situation ein, ist muss Zeit und anlassbezogen sein. Und ob ich eine Predigt in Langenzersdorf halte oder in Wien Innere Stadt ist, das geht nicht mit der gleichen Predigt. Und ob das vor dem Ukraine Krieg war oder jetzt mittendrin ist, kann nicht die gleiche Predigt sein. Also ich lass mir natürlich so wie jeder Journalist muss sich immer wieder was Neues einfallen lassen, weil die Übersetzung des Bibeltextes in die jeweilige Situation eben jeden Sonntag eine andere ist. Und das ist die Herausforderung. Ich denke, es wird so 1500 im Laufe meines Lebens gewesen sein. Ich habe nicht mitgezählt.

 

Gabriele Alma Barolin: Ja, also ich habe jetzt dann so geschätzt, vielleicht zwischen 800 und 1000 oder so. Ich war nur 20 Jahre Pfarrerin und habe vorher, nachher so als Springerin gearbeitet, könnte man sagen ehrenamtlich. Ich muss mich wieder anschließen bei dir, auch wenn das langweilt. Also im Kaffeehaus habe ich noch nie geschrieben. Wirklich nie, sondern zu Hause, in meinem Kämmerlein, an meinem Schreibtisch. Aber es ist nicht schwer, was Neues zu entwickeln, weil die Situation, also die Weltsituation ist eine andere. Die Adressaten sind andere. Und da habe ich mir oft Leute vorgestellt aus der Gemeinde oder Schüler oder Menschen in verschiedensten Lebenssituationen. Also ich predige, meist sehr fröhlich und hoffnungsvoll, aber wenn jemandem gerade jemand wichtiger gestorben ist und Arbeit verloren und alles dann aber immer sehr mich geprüft, kann das für diesen Menschen jetzt auch stimmen. Da musst du mehr in die Tiefe gehen, da musst du da anders noch einmal sprechen. Also die Adressaten wechseln und ich verändere mich. Ich habe mich auch weiterentwickelt, wenn ich alte, handgeschriebene Predigten aus meinen frühen Jahren lese. Ja, lieb! Aber es würde nicht mehr jetzt passen. Also ich habe fast nie Predigten noch einmal verwendet.

 

Harald Geschl: Zum Thema Predigten schreiben. Nur ein kurzer Satz noch von meiner Seite. Ich habe nicht nur die Predigten verfasst, geschrieben oder wie auch immer. Ich habe es in den letzten Jahren immer versucht, multimedial umzusetzen, mit der Unterstützung von Bildern, Musik. Die spannendsten Predigten waren Dialogpredigten mit Musikern, die mit ihrem Instrument, was auch immer es war, den Teil übernommen haben, den sie für richtig und wichtig empfunden haben. Also diesen kreativen Prozess. Ich denke, Predigt verfassen ist ein sehr, sehr kreativer Prozess und da ist man schon im Vorteil, wenn man selbst auch ein bisschen kreativ ist.

Harald Geschl: So wichtig ein Beruf, eine Berufung, wie ich schon gesagt habe, insgesamt ist, ob ich gebraucht werde, hängt nicht von meinem steuerrechtlichen Status ab, ob ich Angestellter oder Rentner bin. Vom ehrenamtlichen Engagement in einer Pfarrgemeinde angefangen bis zum Ehemann sein oder Opa sein. Da wird man wirklich gebraucht, egal wie der Gehaltszettel ausschaut oder von der Pensionsversicherungsanstalt plötzlich kommt. Und zum Thema der Tagesstruktur. Hier muss ich jemanden, der scheinbar vielleicht noch vor der Pension steht, ein klein wenig enttäuschen. Also ich persönlich, meine Tagesstruktur ist heute strenger als früher. Vier Enkelkinder führen ein beinhartes Regiem und es ist halt anders als früher. Und die Flexibilität wird immer mehr und mehr vonnöten sein.

 

Hermann Miklas: Ich bin seit vier Jahren in Pension mittlerweile und es ist total anders, als ich in der Theorie gedacht hätte, dass es sein würde. Mir ist es allerdings überhaupt nicht langweilig geworden bisher. Ich habe ein Buch über Anekdoten geschrieben. Ich habe gerade einen Krimi fertiggestellt, der jetzt im Druck ist. Ich arbeite in der Gefängnisseelsorge ein bisschen mit und ich bin hauptberuflich Berater in NGOs und anderen Organisationen. Aber ich kann es mir leisten, hin und wieder auch mal einen Tag blau zu machen. Das ist das Schöne dran. Und wenn ich jemand einen Tipp geben sollte, würde ich sagen natürlich, sich was vornehmen. Aber gleichzeitig offen sein für Neues, was kommt. Und das mit Begeisterung anpacken, wenn man Lust dazu hat.

Hermann Miklas: Also ich glaube, es ist deutlich geworden, wir alle haben Lust auf neue Herausforderungen braucht man gar nicht lange darüber zu diskutieren. Natürlich ist Ruhe und mehr Ruhe auch was Schönes. Und es gibt eine Sache, die ich wirklich, wirklich genieße. Als Superintendent und als Vorsitzender der Ökumene in der Steiermark muss sich zu allen Gesellschaft relevanten Ereignissen innerhalb von wenigen Stunden eine Presseerklärung abgeben. Und heute denke ich mir manchmal, wenn irgendwas in der Welt passiert, bin ich froh, dass sie nicht in der nächsten Stunde eine Presseerklärung verfassen mussten. Weil das ist manchmal schon herausfordernd, auch schön und reizvoll, aber da bin ich froh, dass das zu Ende ist. Und dann drehe ich mich um und denke mir: Okay, es ist Schlimmes passiert. Aber die Presseerklärung müssen andere herausgeben.

Hermann Miklas: Also mühsam, gar nicht. Denn Trauer hat meiner Erfahrung nach viele Gesichter. Das, was man sich so klassisch vorstellt, da stirbt jemand und alle sind jetzt nur traurig, das stimmt in den seltensten Fällen. In Vorbereitung auf Begräbnisse, Gesprächen mit Angehörigen haben wir ganz viel gelacht, weil lustige Geschichten von der oder dem Verstorbenen wieder aufgepoppt sind. Oder wir haben die Frage erörtert miteinander, dass jemand gesagt hat: Jetzt ist meine Mutter gestorben. Aber eigentlich bin ich nicht traurig, weil sie hat mich mein ganzes Leben lang schikaniert. Wie gehe ich damit um? Oder es gibt Situationen. Ich erinnere mich an einen Fall, wo ein berühmter Wissenschaftler gestorben ist und die Witwe gesagt hat: Es werden hunderte Leute kommen, die den berühmten Professor betrauern. Aber wir hatten auch einen 10-jährigen Sohn, und der hat den Vater nur noch erlebt in seiner Demenz. Und wenn Sie jetzt ihn nur rühmen und über den grünen Klee Positives über ihn erzählen, dann steht man 10-jähriger Sohn schreiend auf und sag, das war nicht mein Vater. Also Begräbnisse sind Herausforderungen, und es ist herausfordernd, dem Menschen gerecht zu werden und den Angehörigen gerecht zu werden. Natürlich für mich das Schlimmste, oder nicht schlimm, aber aber herausfordert ist das Begräbnis im Sinne von wirklich Trost spenden war ein zweijähriges Kind, das in dem Swimmingpool im Garten gefallen ist und ertrunken ist. Da geht es um Trauer und Trost. Das ist nicht schön, aber auch eine wichtige Aufgabe, hier den Eltern beizustehen.

 

Gabriele Alma Barolin: Es ist wirklich eine äußerst vielseitige Aufgabe und ich sage immer, das Wesentlichste passiert in dem Trauer Gespräch und die dauern bei mir selten nur eine Stunde. Ich habe auch schon zwei, drei vierstündige Trauer Gespräche gehabt. Wenn da eine ganze Familie kommt und die verschiedenen Aspekte da diskutiert, bis hin zum Versuch von Versöhnungsarbeit und Heilung, auch von Dingen, die passiert sind. Das ist ganz spannend. Die Vorbereitung ist sehr intensiv. Ich schreibe jedes Mal eine ganz persönliche Ansprache. Die Leute sind auch ganz berührt und sagen: Haben Sie die gekannt? Waren Sie persönlich Verwandt? Nein, ich habe nur das Gespräch gehört und am Friedhof selbst. Ich bin ja nicht betroffen. Also es waren auch zwei oder dreimal, dass ich junge Eltern begraben musste im Angesicht ihrer Kinder und zweimal kleine Kinder. Das war heftig, aber das habe ich in der Supervision auch bearbeitet. Aber sonst bin ich ja nicht betroffen, wenn ein alter Mensch stirbt. Ich bin ja nicht die Trauernde, sondern ich kann Menschen begleiten. Und der Friedhof an sich der Gang ,hat was Friedliches eigentlich an sich war nicht schlimm.

Harald Geschl: Ja, da kann ich aus meiner Lebensbiografie natürlich eine Geschichte erzählen. Ich war in einer Pfarrgemeinde tätig, die von der Predigt Station bis zur selbstständigen Pfarrgemeinde sich gewandelt hat. Das war eine ganz große Herausforderung, hat sich auch über viele Jahre gezogen, aber ist dann zu einem sehr, sehr positiven und guten Ende gebracht worden. Und de Messiaskapelle gehört heute unverzichtbar zum Bestand der Wiener Pfarrgemeinden. Was ich genauso gleich machen würde, diese unverzichtbare und gewinnbringende Einbindung ehrenamtlicher, freiwilliger Helferinnen und Helfer bis auch hin zur Seelsorge. Nicht immer ist der Pfarrer, die Pfarrerin der berufene Seelsorger. Es gibt auch durchaus andere Menschen immer wieder, die in ganz bestimmten Situationen genauso zur Seelsorge am Anderen berufen sind.

 

Gabriele Alma Barolin: Also mein früherer Vorgänger hat tolle Jugendarbeit geleistet, aber als er alt war, ist dass alles auseinandergefallen und ich habe das ganz neu gestartet und das war auch wunderbar und es sind zum Teil jetzt noch nach 20 Jahren dabei und das ist echt sehr erfreulich. Und sonst halt der Kirchenraum Umgestaltungsprozess, der sehr lang war über zwölf Jahre, aber von einer wirklich düsteren Kirche, die aus Nazi gründen nach Westen ausgerichtet war in Richtung Deutschland, sie umzudrehen Richtung Osten, Orient, Jerusalem, Auferstehung und sie zu einem hellen Licht Raum Johanniskirche zu machen, war auch unglaublich beglückend.

 

Hermann Miklas: Ich bin in eine Pfarrgemeinde gerufen worden, 2015, in der großen Zeit der Flüchtlingsströme. Und die Pfarrgemeinde war extrem engagiert und hat wirklich tolle Flüchtlingsarbeit geleistet. Nahe der Grenze zu Spielfeld. Aber nach einem Jahr ist die Stimmung plötzlich gekippt. Zuerst waren alle Leute dafür und haben mitgeholfen. Und zunehmend plötzlich gab es Widerstand in der Gemeinde. Und es hat sich vor allem fokussiert an einem gerade pensionierten Polizisten, der am Anfang mitgeholfen hat und jetzt immer mehr in die Opposition gegangen ist und eigentlich die ganze Sache in Gefahr gebracht hat. Ich war dann dort bei der Sitzung und wir haben lange darüber geredet und es stellt sich nach langem, langer, langer Reden heraus, was ist passiert? Der Pfarrer hat ein Gemeindefest organisiert und hat dem Polizisten, der bisher immer für das Gemeindefest zuständig war, gesagt Du brauchst diesmal das gar nicht machen, machen eh alles die Flüchtlinge. Und der hat seine Aufgabe verloren. Und dann ist bei ihm die Stimmung gekippt. Und nachdem ich das kapiert hatte, was da passiert ist, habe ich gesagt, da gibt es eine wunderbare Lösung. Macht doch den Herrn, der ja ohnehin dabei zum Chef, der soll es beaufsichtigen und er soll den Flüchtlingen zeigen, wie man das macht. Und er ist der, der Leiter das Aufstellen von Tischen und es hat geklappt und die Stimmung ist wieder zum Positiven gekippt.

Gabriele Alma Barolin: Also ich würde sagen, mehr Gremienarbeit. Vielleicht bin ich selber schuld, dass ich alles sehr demokratisch organisiert habe und ich wirklich vier Abende pro Woche in irgendwelchen Diskussionsgruppen in der Gemeinde war, um zu schauen, was wollen die. Und das ist aufwendig. Ich glaube, das haben meine Vorgänger nicht so gemacht.

 

Hermann Miklas: Das ist meine Erfahrung auch. Eine zweite Erfahrung ist, dass Dinge aufwendiger geworden sind. Eine Taufe zum Beispiel hat man früher halbe Stunde mit den Eltern vorbereitet und dann durchgeführt. Heute geht man als Pfarrer in die Familie hin, verbringt mit denen einen ganzen Abend. Wenn es gut ist, ist beim Wickeln der Kinder dabei, entwickelt oder hilft denen, Gebete selber zu formulieren und und und. Also das ist einfach ein höherer Aufwand. Hochzeit genauso Begräbnisse. Vorbesprechungen dauern oft Stunden. Das ist schön, aber zeitaufwendig. Aber ich habe über die Frage lang nachgedacht. Das, was sich am meisten verändert hat in meiner Wahrnehmung, ist, dass unsere Kirche, aber ich denke, das gilt für fast alle Kirchen sehr stark von einer Sie Kultur zu einer Du Kultur gewechselt haben. Das heißt, die Leute in den Gemeinden kennen einander gut und sind per Du. Ich sehe das ambivalent, denn auf der einen Seite genau auf der einen Seite wächst das Gemeinschaftsgefühl und das haben wir gerade gehört, dass jemand sagt, ich such in der Kirche Gemeinschaft. Auf der anderen Seite in eine Gruppe von Du Freunden hineinzukommen als Außenstehender, ist ganz, ganz, ganz schwierig. Und diese starke Du Kultur, glaube ich, hindert auch Menschen, neu in diese Gemeinschaft reinzukommen.

 

Gabriele Alma Barolin: Ich will da auch dazugehören. Was kann ich dazu tun? Ich sage: machen sie bei irgendeiner Kleinigkeit mit. Einmal in zwei Monaten ein Kuchen für den Kirchen Kaffee, und sie sind drinnen im Kreis, nämlich gefühlt auch drinnen durch die anderen. Also das heißt, es war auch anziehend für andere.

 

Hermann Miklas: Ich habe allerdings mal drei Wochen in Deutschland gewohnt und bin am Sonntag in die Kirche gegangen. Und dort sagt dann der Pfarrer: Ja, wir laden alle herzlich ein zu unserer Bibelrunde bei der Rosi um zehn. Da habe ich mir gedacht okay, ich weiß weder, wer die Rosi ist, noch wo sie wohnt, noch sonst. Also ich fühl mich da nicht eingeladen. Also da muss man, glaube ich, ein bisschen aufpassen.

 

Harald Geschl: Ich möchte noch gerne einen anderen Aspekt einbringen. Ich glaube, wir haben jetzt sehr Wien lastig geredet. Ich glaube, dass das querbeet durchs Land vielleicht sehr differenziert zu betrachten ist. Es gibt wahrscheinlich auch Pfarrgemeinden, wo sich alte, treue Gemeindemitglieder davor fürchten, was jetzt alles anders ist, als es früher war und ihnen die Sicherheit, die Vertrautheit abgeht. Ich denke auch, dass die Rolle von einem Pfarrer, einer Pfarrerin in einer dörflich geprägten jetzt sage ich einmal ganz frei heraus von mir aus einer burgenländischen Pfarrgemeinde eine andere ist als in einem Wiener Arbeiterbezirk. Also hier wird man ein bisschen differenzieren müssen, aber die Veränderungen werden auch am flachesten und am steilsten Gebirgsland nicht vorbeigehen. Das wird dort genauso passieren, vermutlich in einem anderen Tempo.

Gabriele Alma Barolin: Ein neugieriger Mensch ist der Herr Michael, der möchte mein Privatleben wissen. Ja, also. Tatsächlich war ich dankbar, dass schon in meiner Ausbildung uns gescheite Menschen in den Seelsorge Seminaren gesagt haben, es ist normal, dass Menschen durch Übertragung sich verlieben in sie. Fallen sie nicht darauf rein. Und das war mir wirklich sehr wichtig. Das heißt allein von der Kleidung. Ich sage immer, ich bin wie ein Mann gekleidet gegangen, mit schwarzer Hose, weißem Hemd, schwarzen, dunklen Sakko. Und so weiter und habe auch wie ein Visier gehabt vor meinem sonst herzlichen Blick. Ich bin als Frau nicht erreichbar. Und das war glaube ich wichtig, weil einfach ein sicheres Vertrauen der Gläubigen, der Klienten sein sollte, dass es da nicht zu irgendwelchen Übertragungen oder Verführungssituationen kommt. Und sonst? Mein Privatleben ist mein Privatleben.

Hermann Miklas: Also das schließe ich an und das, was wir in einer früheren Gesprächsrunde schon festgehalten haben die Lebensnähe, die Praxisnähe, die Existenzialität ist einfach unverzichtbar. Ohne die geht es absolut nicht. Als zweites würde ich etwas differenzierter sagen in der evangelischen Kirche, unser demokratisches Verständnis ist unverzichtbar. Das möchte ich nicht missen. Mit Einschränkung. Ich glaube, dass wir es manchmal übertreiben. Und ich werde nie vergessen, eine Sitzung in einem Gremium von 40 Leuten, wo man einmal über 2,50 € mehr als eine halbe Stunde lang diskutiert haben und anschließend über einen Antrag über 30.000 € abgestimmt haben in fünf Minuten. Also da geht’s manchmal in die falsche Richtung. Demokratie? Absolut ja. Aber über die wichtigen Dinge und die Kleinigkeiten und die Kinkerlitzchen, die soll irgendwer schnell und unbürokratisch entscheiden. Verzichtbar wäre für mich doch sehr hohe bürokratische Aufwand. Ich glaube, da könnten wir ein bissel abspecken.

 

Harald Geschl: Ich möchte bei unverzichtbar sehr, sehr konservativ antworten. Für mich ist die Bibel unverzichtbar. Bei aller sozialen Notwendigkeit, die Bibel und das Reden von Gott. Das ist die Kernkompetenz der Kirche. Das eine ergibt sich aus dem anderen. Wenn wir die Bibel ernst nehmen, können wir gar nicht anders als sozial tätig werden. Wenn wir die Bibel ernst nehmen, können wir nicht anders, als das Verhältnis von Männern und Frauen immer wieder neu zu denken und auf den Prüfstand zu stellen. Vieles können andere Organisationen mindestens gleich gut. Sehr oft muss ich gestehen besser.

Hermann Miklas: Also es macht absolut Sinn. Und ich möchte jeden jungen Menschen, jeder jungen Frau, jedem jungen Mann Mut machen und Freude machen dazu, diesen Weg einzuschlagen. Allein schon das Studium der Theologie, der wissenschaftlichen Theologie ist immens spannend, mindestens so spannend wie jede Astrophysik oder sonst irgendetwas. Und der Beruf ist abwechslungsreich. Wir stehen, glaube ich, vor einer Weichenstellung in unserer Kirche und in den Kirchen. Und die ist noch nicht ausdiskutiert. Nämlich soll Kirche in Zukunft so etwas sein wie ein exklusives Klubhaus, wo sich die treffen, die hundert Prozentig dazugehören? Oder soll Kirche so etwas sein, oder eine Pfarrgemeinde so etwas sein wie eine spirituelle Tankstelle, wo man hinkommt und andockt und auftanken kann, das mitnimmt, was man braucht? Beide Konzepte haben entschiedene Vorteile. Beide Konzepte haben auch entschiedene Nachteile. Und das Problem ist sie sind nur schwer miteinander kompatibel. Also da bin ich gespannt, wie der Diskussionsprozess und die Entwicklung letztendlich nach welcher Richtung hin die Sache ausgeht.

 

Gabriele Alma Barolin: Weil du sagst die zwei Konzepte, ich glaube, sie ergänzen sich ganz gut. Zum Beispiel bin ich jahrelang in ein katholisches Haus der Stille in der Steiermark gefahren. Dort gab es damals jetzt alles es im Wechsel, dort eine fixe Gemeinschaft und zugleich haben wir Gäste dort aufgetankt. Das heißt, ich glaube, dieses Konzept jetzt angepasst auf Pfarrgemeinde, kann auch diese zwei Pole haben, wie eine Ellipse um zwei Punkte kreist. Manche versuchen mehr Gemeinschaft, wollen sich mehr einbringen, sollen aber wie Leuchtfeuer in dieser Gemeinschaft sein für die, die reinschnuppern oder die halt nur aus den Kasualien, also Taufe, Hochzeit, Begräbnis kommen. Ich glaube, das passt zusammen. Und weil du sagst die Kirchen, ich glaube, was sich ganz stark ändern wird, sind die Zahlenverhältnisse und daher die Notwendigkeit der Zusammenarbeit und damit der katholischen Kirche. Die gibt es jetzt schon, Gott sei Dank seit Jahrzehnten. Aber das wird noch viel intensiver werden müssen und wird sich vor allem im Religionsunterricht ganz stark in diese Richtung entwickeln.

 

Hermann Miklas: Ich bin in der Diskussion ziemlich stark drin gewesen und ich glaube katholisch, evangelisch wären sich sehr schnell einig. Das Problem ist allerdings, dass hier dann alle Konfessionen mitmachen müssten, christlichen Konfessionen. Und es gibt ein paar, ich will jetzt das nicht namentlich erwähnen, ein paar, die ein so konservatives, reaktionäres Konzept vom Religionsunterricht vertreten, dass wir uns damit schwertun. Und daran ist es bisher gescheitert, dass die beiden traditionellen Kirchen katholisch evangelisch an den Staat herangetreten sind. Liebe Leute, wir machen das gern gemeinsam. Das sparts ihr euch Geld, und wir können Synergieeffekte schaffen. Was wir nicht wollen, ist das Feld öffnen für reaktionäre Kräfte. 

Hermann Miklas: Ja, sag ich nicht gern, aber das hat was mit einem Begräbnis zu tun. Einige wissen, man kann, wenn man zur Bestattung geht, auch sich Sänger in Wien auf jeden Fall mieten, gewissermaßen. Und die treten dann auf, und man sucht nach einer Liste von Liedern aus, die gesungen werden. In dieser Liste stehen aber immer nur die Anfangszeilen drinnen. Und ich habe ein Begräbnis von einem 18-jährigen Maturanten, der sich das Leben genommen hat. Und die Eltern haben halt ein paar Lieder ausgesucht, nicht wissend, was in diesem Text sonst noch vorkommt. Und die Sänger wiederum haben die Liste bekommen, hatten aber keine Ahnung, welches Begräbnis es sich handelt. Und natürlich Selbstmord mit 18 Jahren. Das ist fürchterlich. Und die haben sich ausgewählt, das Lied überhaupt voll Blut und Wunden. Aber die letzte Zeile in der letzten Strophe, und das haben die Sänger mit Hingabe geschmettert war: Wer so stirbt, der stirbt wohl. Ich habe gedacht, ich bin die jag die mit nassen Fetzen davon, aber das kann ich nicht machen. Aber das war wirklich schrecklich.

Harald Geschl: Ja, das weiß ich selber nicht. Aber was, da brauch ich überhaupt nicht lang nachdenken. Und es ist heute ja jetzt schon mehrfach gefallen. Diese Bürokratie, diese ausufernde Verwaltung. In vielen, vielen Sitzungen wird es scheint der Trend der Zeit zu sein, über juristische Dinge diskutiert bis zum Abwinken. Wir kennen alle den Witz zwei Juristen, drei Meinungen, diese so oft verwaltete Kirche. Wir sind in manchen Bereichen zu einer sitzenden Kirche geworden, es wäre schön, eine viel schlankere Struktur haben zu können. Das nächste eine positive Kooperation der regionalen Pfarrgemeinden. Die Welt und damit die Kirche ist mehr, als ich von meinem Kirchturm aus sehen kann. Es gibt gute Ansätze, aber hier ist sicherlich noch sehr, sehr viel zu tun und ich glaube sehr viel Positives für eine Zukunft, wenn diese Kooperation geschieht. Und das gilt aber auch für die theologischen Ausrichtungen. Ich habe die Grabenkämpfe in unserer Kirche kennen gelernt und sie sind mir satt. Aber wir können mehr voneinander lernen. Das gilt auch für theologische Ausrichtungen, nicht nur für irgendwelche Meinungen. Und sich hier mehr auf die Gemeinsamkeit zu besinnen und die gegenseitigen Stärken zu unterstützen, wird wahrscheinlich dieser Kirche mehr bringen und ihr mehr dienen als dieses ewige Hick und Hack und dieses Hin und Her. Und ich bin g’scheit und ich bin gescheiter und ich weiß es. Nein, wir wissen es, wenn überhaupt.

Hermann Miklas: Ja!

 

Gabriele Alma Barolin: Ja!

 

Harald Geschl:  Selbstverständlich. Gar keine Frage. Nachdem ich eine Manager Karriere hinter mir habe, dann werde ich wieder Pfarrer.

Hermann Miklas: Also ich habe ein ganzes Buch mit Anekdoten aus dem Leben geschrieben. Jetzt habe ich die Qual der Wahl. Welche soll ich erzählen? Ich setz dort an was ich gesagt habe. Ich habe Predigten am liebsten vorbereitet, im Kaffeehaus oder im Gasthaus, und zwar möglichst nahe an dem Ort, wo ich dann auch den Gottesdienst hatte. Diese Geschichte spielt im Kaffee Tiroler Hof in Wien. Ich sitz dort, such mir eine Dame aus, die dort drüben sitzt, und nach einiger Zeit kommt sie auf mich zu und sagt, warum starren Sie mich die ganze Zeit so an? Tja, ich bereite gerade eine Predigt für sie vor. Sagt sie, das finde ich aber interessant. Ich bin ja so, erklärte Atheistin. Aber da will ich jetzt mitreden. Und dann hat sie sich zu mir gesetzt, und wir haben tatsächlich drei Stunden miteinander debattiert über den Text, was mir leid getan hat. Sie ist dann am Sonntag trotzdem nicht gekommen. Aber ich habe viel von ihr gelernt, es war lustvoll!

 

Gabriele Alma Barolin: Ich erzähl auch was von ganz Fernstehenden. Und zwar eine junge Familie. Also junges Paar hat ein Kind bekommen und kommt zum Tauf Gespräch und wir machen dann die Taufe. Und ich habe die, glaube ich, sehr herzlich gehalten, und die haben nachher gesagt, wow, so was Schönes haben wir irgendwie noch nie erlebt. Und es war so berührend, jetzt lade ich doch ein,  also, wenn Ihnen das so gefallen hat am kommenden Sonntag ist zum Beispiel Familiengottesdienst. Vielleicht wollen Sie kommen oder auch sonst immer sonntags um zehn. Und die haben gesagt, na wir wollen kein Kind mehr. Und ich so, ein Missverständnis. Ich habe jetzt nicht gemeint, eine Taufe, sondern wir haben Sonntags Gottesdienste oder Abendgottesdienst. Und sie sagen, nein, wir wollen wirklich kein Kind mehr. Also es war für sie unvorstellbar, so wie man zum Arzt zur Impfung geht, aber nicht auf einen Kaffee. Also dann völlig absurd, wieder in die Kirche zu gehen.

 

Harald Geschl: Ich hoffe, dass mich jetzt nicht die Schnarchnase einholt. Ich muss ein bisschen ausholen. Ich war zu einer Taufe im Salzburger Land eingeladen. Aber ich denke außer der Tauffamilie, meiner Frau und mir war dort niemand evangelisch und das evangelisch sein war dort etwas ganz fremdes. Meine Frau und ich erscheinen dort. Es war eine Taufe im Garten. Es war schönes Wetter draußen im Freien. Wir wären so reihum bei den Verwandten vorgestellt. Meine Gattin ist immer treu und brav neben mir gegangen. Wir kommen zu Großmutter des Taufkindes. Ich werde als Pfarrer vorgestellt. Sie schaut mich an, schaut meine Frau an und sagt zu ihr: Ach, und Sie sind die Pfarrers Köchin? Das war für Sie schwer nachvollziehbar, dass ein evangelischer Pfarrer mit einer ganz rechtmäßig angetrauten Ehefrau erscheint.