20 Fragen über Karfreitag und Ostern an Bischof Michael Chalupka und Prof. Dr. Regina Polak
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Regina Polak: Ich soll anfangen? Interessante Formulierung. Ostern ist eigentlich das höchste christliche Fest, auch das wichtigste Fest. Und es ist das Ereignis, an das wir uns erinnern die Auferstehung des Jesus von Nazareth, von dem wir Christen glauben, dass er der Messias ist, an das wir uns da erinnern. Und wir feiern das, um in diese Dynamik des Oster Geschehens wieder hinein zu geraten, uns daran zu erinnern, dass wir aus diesem Osternglauben unser Christsein, unser Christinsein leben. So würde ich das beschreiben. Sehr persönlich auch.
Michael Chalupka: Wir sind ja jetzt gerade in der Passionszeit, die wir sehr unmittelbar erleben durch den Ukraine-Krieg, auch die Pandemie und gehen auf Ostern hin und das aber immer im Bewusstsein als Christinnen und Christen, dass wir ja von Ostern herkommen, dass wir vom Auferstandenen gesandt sind und diese Dynamik aus diesem bewussten Wahrnehmen auch des Leidens in der Welt. Aber dass wir von der Auferstehung herkommen, das machts aus.
Regina Polak: Und das Schöne an diesem Fest ist irgendwie, dass man in der Liturgie, ich glaube, das ist jetzt katholisch oder, dass wieder erlebt, was die Jünger und Jüngerinnen Jesu erlebt haben. Das braucht man vielleicht, weil die momentan schwierigen Zeiten erwähnt hast, das brauchen wir momentan glaube ich, ganz dringend, um nicht zu resignieren und zynisch zu werden angesichts des Leids in der Welt.
Michael Chalupka: Wir haben schon auch eine Liturgie.
Regina Polak: Nein, nein, aber dieses, dieses präsentische mein ich.
Michael Chalupka: Nein, den gibt es nicht. Das Trillium Karfreitag, Gründonnerstag, Karfreitag, Ostersonntag, das ist das zentrale Fest, die zentralen Festtage der Christenheit. Dass wir den Karfreitag als besonders evangelisch geprägt empfinden, hat mit unserer Geschichte zu tun, mit einer Besonderheit des österreichischen Protestantismus, weil wir diesen besonderen Feiertag hatten und mit einer besonderen Betonung der Passion Christi. Aber es gibt keinen Unterschied.
Regina Polak: Das kann ich nur bestätigen, zustimmen und kann nichts ergänzen.
Regina Polak: Also ich finde diese diese Geschenkkultur, die sich jetzt um Ostern herum entwickelt hat ist eigentlich neu. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich als Kind Geschenke bekommen habe zu Ostern. Die gab es zu Weihnachten. Meine Vermutung ist nebst den ökonomischen Interessen, dass das vielleicht auch damit zu tun hat, dass es so etwas gibt wie Volksfrömmigkeit. Ostern ist ja schon ein sehr tiefes, anspruchsvolles Fest. Wenn man die Texte in den Liturgien hört, muss man glaube ich auch einiges wissen und verstehen. Und Menschen haben schon auch ein Bedürfnis, irgendwie die Freude zum Ausdruck zu bringen. Und ich glaube, da haben sich im Umfeld dessen dann hat sich dann auch eine Geschenkkultur entwickelt. Aber sie ist nicht zwingend notwendig für das Osterfest.
Michael Chalupka: Ich weiß, wer es nicht erfunden hat, nämlich Martin Luther und die Evangelische Kirche. Zu Weihnachten, den Adventskranz, den Christbaum, das Christkind, das sind ja alles evangelische Erfindungen. Das kann man vom Osterhasen und den Eiern nicht sagen. Der Geschenk Charakter ergibt sich auch durch das Ende der Fastenzeit. Das ist durchaus katholisch jetzt in dem Sinne, dass die Fastenzeit eine ganz wesentliche Zeit ist und dann man wieder das Leben feiert, mit Schinken, Eiern und was auch immer. Da beschenkt man sich ja auch. Und jetzt gibt es halt Schokolade dazu oder was anderes.
Regina Polak: Und Eier und Hasen sind Symbole der Fruchtbarkeit. Also es ist ja auch kein Zufall, dass das Osterfest zum Frühlingsbeginn gefeiert wird, wenn man das Leben wiedersieht. Dieser Zusammenfall von Auferstehung und auch die Auferstehung in der Natur, die wird dann durch diese beiden Symbole auch zum Ausdruck gebracht. Wobei in der orthodoxen Liturgie das Ei da schon noch einen besonderen symbolischen Wert hat.
Michael Chalupka: Ich gehe am Karfreitag in die Kirche, wenn ich nicht selber Gottesdienst feiern darf, oder ich feiere den Gottesdienst wo auch immer im Gottesdienst. Ich habe ein sehr beeindruckendes Karfreitags Ritual als Kind miterlebt, weil ich die Ostern immer in der Vojvodina bei meinen Verwandten wo meine Familie herkommt, gefeiert habe in der slowakisch lutherischen Kirche. Und dort hat man den Kirchenraum radikal von allem Schmuck befreit und den Altar und die Kanzel und alles mit schwarzen Tüchern verhängt. Der ganze Raum war schwarz, ohne Kerzen, ohne Schmuck, ohne Blumen. Und wurde dann abgelöst. Am Ostersonntag, wo alles in Weiß erstrahlt ist, mit ganz vielen Blumen, da war das sehr nachvollziehbar. Dass dieser Wechsel oder das, was sozusagen in dieser aus der österlichen Zeit passiert, auch in der Liturgie, im Gesang der Frauen, die das Johannes die Johannes Passion vier Stunden lang gesungen haben. Das hat mich sehr geprägt.
Regina Polak: Für mich als Katholikin ist der Karfreitag ein strenger Fasttag. Das versuche ich auch einzuhalten. Ich zünden mir eine Kerze an, das ist ja auch ein Arbeitstag für mich in der Regel. Ich höre mir dann auf Ö1 den evangelischen Gottesdienst an, seit ein paar Jahren. Und am Abend gehe ich in die Karfreitagsliturgie meiner eigenen Gemeinde, die auch ein ganz besonderes Flair hat, die ja einfach emotional sehr bewegend ist mit den großen Fürbitten, mit mit einer ganz eigenen Stimmung, wo man einfach die Ereignisse auch durch das Lesen und die Texte noch mal nachvollziehen kann. Um auch die Trauer spürt. Also das gehört für mich jedes Jahr dazu.
Michael Chalupka: Neue Kirchen werden selten gebaut. Ich glaube, die letzte, die mir einfällt, ist in Wien gebaut worden, die man aber dann verkaufen musste. Das heißt, da muss man wirklich aufpassen. Kirchen, die man nicht mehr braucht, werden in Österreich, kenne ich noch kein Beispiel, aber zum Beispiel in Berlin von der Diakonie genutzt. Das heißt, man baut diese Kirche um in einen kleineren Andachtsraum. Es gibt dort ein Kaffeehaus. Man wendet sich nach außen, sozusagen auch für wohnungslose Menschen. Sozialberatung stellen dort, wo Kirchen so nicht mehr als Kirchen verwendet werden können. Zumindest im deutschsprachigen Raum versucht man den Zweck dieser Gemeinschaft in anderer Weise zu erfüllen. In den Niederlanden oder in England gibt es durchaus auch Restaurants, Ateliers, Wohnungen, was auch immer.
Bernd Gratzer: Irgendwo habe ich gelesen, eine Kletterhalle gibt es auch irgendwo mittlerweile in einer Kirche drinnen.
Michael Chalupka: Sind oft hoch genug!
Regina Polak: Für uns in der katholischen Kirche ist es durchaus schon ein Thema. Und da gibt es beispielsweise eine katholische Kirche, die dann einer orthodoxen Gemeinde geschenkt worden ist. Die die orthodoxe Community in Wien, die wächst ja auch in Österreich, brauchen auch Platz. Und das ist quasi eine Art von geschwisterlich Teilen von Raum und und Ressourcen. Das ist besser so, als es wird ein Kaufhaus, was in manchen Ländern Europas auch schon der Fall ist.
Michael Chalupka: Erstens kann man das nicht entscheiden, weil es zusammen gehört. Zum andern, stehen wir immer in Situationen, die das eine oder das andere hervorrufen und im Moment sind wir in einem Kyrie Moment. Wir sind jetzt seit langer, langer Zeit in der Passionszeit. Die Passionszeit dauert 40 Tage, aber nunmehr dauert sie sehr viel länger, wird sehr viel intensiver gelebt und ich denke, wir sind in einer Zeit, wo die Klage ihren Platz hat, wo es auch gut tut. Zum Beispiel die Psalmen zu beten, das Gebetsbuch des Judentums, das auch Jesus selbst in der höchsten Not am Kreuz gebetet hat. Das, was dort was überliefert ist, das sind Psalmen, Gebete. Und das ist schon der Übergang, den Psalmen enden, oft mit einem Lob Gottes. Mit einer Wendung, das heißt, aus dem Kyrie kommt das Gloria. Und deswegen kann man sich schwer entscheiden. Aber man steht meistens in der einen oder in der anderen Situation.
Regina Polak: Das habe ich als Kind gemacht, da hat es bei der Oma immer Spinat gegeben. Bis ich dann gelernt habe, dass das Wort Gründonnerstag eigentlich von Greinen kommt. Und das bedeutet Weinen. Und damit konnte ich dann erleichterter weise aufhören den Spinat am Gründonnerstag zu essen. Was ich heute auch nicht tue.
Regina Polak: Ich habe die Frage schon oft gehört. Ich muss irgendwie immer grinsen. Ich glaub, ich muss eine ganz alte altmodische Antwort geben. Ich bin, glaube ich, einfach ein treuer Mensch. Ich bin katholisch aufgewachsen. Ich verdanke unglaublich vielen Menschen in der katholischen Kirche für mein Leben viel, die mir viel beigebracht haben. Und ich muss sagen, mir gefällt auch die katholische Theologie sehr gut. Mir gefällt auch die evangelische gut. Mir gefällt auch die orthodoxe gut. Mir gefallen auch andere Religionen gut, aber ich glaube aus einer spirituellen Perspektive, dass man im Leben nur wohin kommt, also in die Tiefe, meine ich jetzt, wenn man sich auf etwas wirklich voll einlässt, was jetzt nicht heißt, dass ich immer zufrieden bin oder mich nicht auch viel stört und ich nicht manchmal auch wirklich leide an meiner Kirche. Aber das ist so wie bei einer Freundschaft oder einer Ehe. Für mich ist das einfach ein Weg in Treue, wo man sich selbst, Gott und quasi geprägt durch eine bestimmte praktische Tradition und eine bestimmte Denkform, die ja was macht mit einem, hoffentlich dorthin bewegt, wo wir am Ende der Tage alle hoffentlich sein werden. Also es ist für mich ein Weg Gott kennen zu lernen und man kann auch glaube ich nicht einfach so aussteigen wie aus dem Supermarkt. Das prägt die Wahrnehmung, prägt die Handlungsweisen, prägt die ethische Sicht. Je älter man wird, umso mehr.
Michael Chalupka: Ich habe gar kein Lieblingsfest, aber das, was mir am wichtigsten ist, ist sicher Ostern. Aber im Zusammenhang mit Weihnachten. Ich finde in beiden Festen, feiern wir das, dass Gott Mensch geworden ist, und zwar einmal als Kind in der schwächsten Form der angewiesensten Form des Menschseins. Und dann zu Ostern am Kreuz in der Form, dass Gott sich auch mit dem Leiden, mit der Vergänglichkeit solidarisiert. Das ist etwas, was das Christentum auch auszeichnet dass Gott ganz an unsere Seite getreten ist. Das ist etwas, was diese beiden Pole ausmacht.
Regina Polak: Ich tu mir auch schwer, da jetzt eins zu nennen. Ich. Ich mag einfach insgesamt diesen christlichen Jahreskreis. Als ich noch jünger war, war das für mich etwas, das irgendwie eine Struktur in mein Leben oder in mein Jahr bringt. Je älter ich werde, umso mehr habe ich den Eindruck, ich vollziehe in diesem Kirchenjahr und in den einzelnen Festen irgendwie so immer wieder klingt sehr pathetisch, aber irgendwie die Geschichte der Menschheit mit. Ich bin da in eine Dynamik hineingenommen und darf mich immer wieder daran erinnern, dass Gott bei uns ist und sich uns in Jesus gezeigt hat und uns damit auch einen Weg gezeigt hat, wie wir zu Gott finden können. Und das hat halt zu jeder Jahreszeit und bei jedem Fest eine andere Thematik. Also am meisten zu Weihnachten kann ich mich mit meiner Liebe zum kultisch rituellen natürlich mehr austoben zu Hause mit Schmuck und Dekor. Aber das Fest, das mir tiefer nahe geht, weil dort quasi der ganze menschliche Spannungsbogen von Leben und Tod und Liebe und Bösartigkeit zusammengeholt wird, in diesen drei heiligen Tagen, der ist mir existenziell dann schon auch sehr, sehr, sehr nahe.
Michael Chalupka: Das kann nur eine katholische Theologin beantworten.
Regina Polak: Und die tut sich auch schwer, weil ich ja in dem Sinne keine Expertin dafür bin. Ich finde interessant, was jemand tut, der ein Ja oder Nein auf diese Frage als Antwort bekommt. Weil für mich ist die Frage: Warum stellt man so eine Frage? Ändert das etwas am Glauben? Also ich glaube, sagen wir es, es war so wird dadurch der Glaube wahrer, oder weniger wahr? Ich habe auch kein Problem mit Menschen, die das die das glauben. Auch ich bin katholisch, da hat man eine gewisse Liebe zur Volksfrömmigkeitsformen, die jetzt für Theologen und Theologinnen eben ein bisschen stressig sind, die so intellektuell an den Glauben herangehen. Aber wenn es nicht so ist, ist es auch nicht so ein Drama. Weil den Glauben an Gott kann man Gott sei Dank im letzten durch kein einziges historisches Faktum wirklich beweisen, sonst wäre es nicht Glaube. Da ist immer dieses Risiko des persönlichen Sprunges da, wo ich mich entscheiden darf oder muss oder kann. Ich setz mein Vertrauen in meinem Leben, auf die Erzählungen von meinen Glaubensvorfahren. Dann nutzt doch das Turiner Grabtuch dann nichts als Beweis.
Michael Chalupka: Die Wunde des verlorengegangenen Karfreitags, für die evangelische Kirche ist offen und wird auch bei jedem Gespräch mit der Politik thematisiert. Und wir sind auch im Gespräch mit allen politischen Parteien und bis auf die Österreichische Volkspartei sind auch alle politischen Parteien dafür, beim Karfreitag etwas zu tun. Das heißt, wir werden weiterhin im Gespräch sein mit dem vorigen Bundeskanzler. Gab schon einen Gesprächstermin, aber der war ja nur so kurz Bundeskanzler, dass wir auf den jetzigen Bundeskanzler hoffen. Das heißt, das bleibt ein Thema und ist ein Thema. Und nach diesen Zeiten der Pandemie ist das Thema umso größer, weil es auch ein gesellschaftliches Thema ist. Weil wir gemerkt haben, dass es nicht nur einen Tag gibt, der uns daran erinnert, wie unverfügbar das Leben ist, wie zerbrechlich das Leben ist, sondern dass wir eine Zeit erlebt haben. Und ich denke, es ist unumgänglich, wieder darüber nachzudenken, hier auch eine Wunde, die man den Evangelischen in Österreich geschlagen hat, zu heilen.
Michael Chalupka: Das ist etwas, was mich sehr bewegt, weil es da scheinbar dieser Regierung damals, die ja sehr auf Propaganda, auf PR, auf Werbung, auf gesetzt hat, gelungen ist, die Sache umzudrehen. Sozusagen das Opfer der evangelischen Kirche auch noch schuldig zu machen. Das heißt, es kommen viele Leute und sagt Ihr habt versagt. Dabei hat die evangelische Kirche darum gekämpft. Auch Bischof Bünker hat darum gekämpft und nie zugestimmt, dass dieser Feiertag abgeschafft wird. Das hat schon begonnen, sozusagen beim Europäischen Gerichtshof, wo die evangelische Kirche einfach nicht zugelassen worden ist als in Parteien Stellung, sondern wo man gesagt hat: Ja, da geht es nur um Arbeitnehmer Privilegien. Und das ist, glaube ich, das große Problem. Vielleicht haben wir da versagt, dass wir das nicht vermitteln konnten, dass ja wirklich über die Evangelischen drübergefahren worden ist. Der damalige Bundeskanzler hat ja auch gesagt 96 Prozent in Österreich betrifft das gar nicht. Das heißt, man braucht auf eine Minderheit nicht Rücksicht nehmen. Wobei es gibt immerhin so viele evangelische Christinnen und Christen bis Burgenländer gibt. Und zu sagen, auf die Burgenländer müssen wir gar nicht Rücksicht nehmen. Man wird sich auch niemand erlauben. Das heißt, da ist wieder was gut zu machen, bin ich mir ganz sicher.
Regina Polak: Also ich möchte mich da gerne anschließen. Bei mir kam diese Täter-Opfer-Umkehr überhaupt nicht an. Ich war empört damals und ich werde es auch aus meinem eigenen Umfeld, das da im katholischen Raum viele verärgert waren über diese Täter-Umkehr Geschichte. Was man vielleicht meiner Kirche ein bissi kritisch vorwerfen kann, ist, dass wir das zu wenig deutlich, klar und solidarisch zum Ausdruck gebracht haben. Ich glaube, hinter den Kulissen durchaus. Da gab es ein Engagement. Aber ich glaube, man hätte das im öffentlichen Diskurs noch deutlicher machen müssen, dass das schlicht und ergreifend unverschämt war.
Michael Chalupka: Weil der Karfreitag weiter ein zentraler Feiertag ist und auch gefeiert wird. Das heißt, der Gottesdienst, das Gedenken der ganzen Kirche und der Glaube zum Ostersonntag hin sind zentral. Und ob es jetzt einen Feiertag mehr oder weniger gibt, sollte nicht entscheidend sein, dieser Kirche anzugehören und ich denke, das gehört zur vorherigen Frage. Menschen haben ja aus Enttäuschung, dass hier die Kirche etwas nicht erreicht hat, was sie aber nie erreichen konnte, was nicht in ihrer Macht gestanden ist. Und da würde ich um Solidarität bitten mit der Kirche sozusagen drinnen bleiben und mitreden und dafür kämpfen, dass der Protestantismus, die Evangelischen, diese Minderheit in dem Land, die aber wichtig sind für das Land und auch in ihrer Geschichte wichtig sind, dass die wahrgenommen werden. Und wenn man da Austritt, dann schwächt man das ja nur.
Regina Polak: Vielleicht hilft auch eine historische Erinnerung an das frühe Christentum. Im Imperium Romanum gab es auch keine Feiertage. Naja, das hat das Glauben feiern kann man nicht abhängig machen und würde ich auch nie abhängig machen wollen von staatlichen Maßnahmen am Ende des Tages. Also natürlich kämpft man, müssen wir dafür kämpfen. Aber diese Erinnerung hilft mir, solche schwierigen Zeit noch durchzustehen.
Michael Chalupka: Ja, man kann es vielleicht mit einem Bild sagen. Der Karfreitag war das öffentliche Denkmal, das öffentliche Mahnmal, das an die Verfolgung der Evangelischen in der Gegenreformation und durch die Habsburgermonarchie und Österreich erinnert hat. Der Karfreitag ist eingeführt worden 1956 von der Zweiten Republik. Genau in dieser Dimension des Erinnerns, dass auch diese Minderheit einen Ort hat, wo sie hervorgehoben wird, wo sie sozusagen eine etwas Besonderes kriegt, weil die Republik, an sie denkt und sagt, ihr seid jetzt vollwertige Bürgerinnen und Bürger dieser Republik. Und das ist so, wie wenn man ein Denkmal damals errichtet hätte für die Verfolgung und dieses Denkmal jetzt einfach umgeschmissen hat. Deswegen ist es neben der religiösen und spirituellen Dimension hat auch diese historische Dimension hier ein Mahnmal zu sein. Und die Republik hat sich zu diesem Erbe der Monarchie nie wirklich bekannt. Das ist anders in den Bundesländern. Dort gibt es Erinnerungsstätten an die Vertreibung der Protestanten in Salzburg. Es gibt im Grazer Landhaus, das ja auch evangelisch war, eine Gedenktafel, die man im Reformationsjahr feierlich enthüllt hat und wo der katholische Bischof, der Landeshauptmann sozusagen über die Geschichte gesprochen haben. Das gab es von Seiten der Republik nur einmal, nämlich 1956, als der Karfreitag eingeführt worden ist. Und das ist weg. Und was mir so wichtig ist ist, da hat man ja nicht der evangelischen Kirche was weggenommen, sondern ein Land, das sich nicht aller seiner Teile der Geschichte erinnert, nimmt sich ja selber was weg. Nämlich einen Teil seiner Geschichte, die das Land ausmacht, und einer Minderheit, die auch das Land mit ausmachen, weil wir ja in einer pluralen Gesellschaft leben, wo alle Teile, seien sie noch so klein, einen großen Wert haben.
Regina Polak: Und diese Geschichte ist zum Teil viel zu wenig bekannt. Nicht ich habe sie in meinem eigenen Theologiestudium nicht gelernt. Ich habe mir das selber angeeignet und ich habe spät, ich habe 2000 zum Theologiestudium begonnen. Also das ist nicht irgendwann gewesen.
Michael Chalupka: Ja, und umso wichtiger wäre es, dass es sozusagen auch eine Erinnerungskultur gibt, auch auf die Geschichte des Protestantismus in Österreich.
Michael Chalupka: Kardinal Schönborn hat hier was ganz richtiges gesagt. Er hat gesagt, an den Religionsgemeinschaften und Kirchen würde es nicht scheitern. Aber die Feiertage, auch die kirchlichen, sind ja nicht im Besitz der Religionsgemeinschaften. Das heißt, staatliche gesetzliche Feiertage sind vom Parlament beschlossen, sind sozusagen eine gesellschaftliche Übereinkunft. Das heißt, es kann jetzt auch nicht die katholische Kirche von sich aus verfügen und sagen, der Pfingstmontag ist nicht so wichtig, sondern da müsste eine gesellschaftliche Übereinkunft geben. Und ich denke schon, dass die Religionsgemeinschaften gemeinsam zum Beispiel für den Gedanken dieses freien, gewählten Feiertags, der aber ein zusätzlicher Feiertag wäre, durchaus offen sind. Damit hätten wir auch den Mann gelöst wie Jom Kippur. Wie feste das Zuckerfest der Muslimen, dann könnten die Menschen sich diesen Feiertag je nach ihrer Religionsgemeinschaft oder Konfession auch als Feiertag gemeinsam freinehmen. Ich glaube, daran ist es nicht gescheitert.
Regina Polak: Ich habe die Frage einmal anders verstanden. Ich habe sie in Richtung Ökumene gehört und das ist nach wie vor eine schmerzliche Wunde, wenn ich das so pathetisch sagen darf. Das dient der Tatsache, dass wir das nicht, das ist auch quasi eigen gemachte Gründe dafür gibt, warum wir das nicht gemeinsam feiern. Und das hat was mit einer langen, nicht ökumenischen Konflikt und Auseinandersetzungsgeschichte zu tun, wo in Österreich glaube ich ohnedies schon unglaublich viel passiert ist zur Versöhnung. Aber man kann halt eine lange, schwierige Geschichte. Auch die dich, die du vorher angesprochen hast, kann man nicht einfach löschen und das merkt man an solchen Ereignissen. Ich nenne das immer den Preis, oder die Last der Geschichte.
Michael Chalupka: Das haben wir schon beantwortet, das natürlich liturgisch der Karfreitag für alle christlichen Religionen zentral ist. Der Termin ändert sich noch mal bei der orthodoxen Kirche. Die Gleichzeitigkeit. Das Alleinstellungsmerkmal kommt ganz aus der Geschichte. Da muss man auch sagen, dass das auch eine Reaktion war, weil nach dem Zweiten Weltkrieg der katholischen Kirche auch der 8. Dezember sozusagen als eigener Feiertag wiedergegeben wurde und Mariä Empfängnis. Und da dann evangelische Abgeordnete aus der Gossau sagt haben: Na, jetzt ist es aber Zeit, dass wir auch berücksichtigt werden als Minderheit und dass wir auch sozusagen ein Recht hier haben, einmal selber etwas zu bekommen. Und dem hat sich der Nationalrat angeschlossen. Es ist sozusagen ein historisches Werden, zeigt aber nur noch mehr, dass dieser Karfreitag eben ein Denkmal ist, das bewusst für die Evangelischen gesetzt worden ist.
Regina Polak: Theologisch gibt es keinen Unterschied.
Michael Chalupka: Theologisch gibt es keinen Unterschied.
Regina Polak: Da würde ich in dem Zusammenhang gern an die Entstehung des Auferstehungs Glaubens, wie es sich eigentlich schon im Alten Testament vorfindet, erinnern. Wo nämlich die Hoffnung auf Auferstehung gar nicht so sehr sich zunächst auf die Hoffnung nach dem Weiterleben der einzelnen Person bezieht, sondern die Rechtfertigung der Opfer angesichts der Täter zum Thema hat. Also im Makkabäer Buch und im Daniel Buch beispielsweise, wo es darum geht, die im Krieg gefallenen Opfer, die das muss irgendwie von Gott her gerechtfertigt werden. Die Täter dürfen dann nicht ungesühnt davonkommen. Also im Zentrum der Auferstehungs Glaubens steht eigentlich eine tiefe Hoffnung auf Gottes, auch auf Gottes Gerechtigkeit. Das ist doch der Glaube, den Jesus und seine Jünger als eine jüdische Bewegung geteilt haben. Die waren zutiefst davon überzeugt, dass dieses Reich Gottes der Gerechtigkeit und des Friedens jetzt anbricht. Und in der Auferstehung, die sich dann tatsächlich ereignet, wenn Jesus Christus aufersteht. Sehen diese Jünger eigentlich dieses Reich Gottes in ihrer, in ihrer Dimension von Gerechtigkeit und Frieden? Und von daher halte ich den Oster Glauben oder das, was wir jetzt feiern werden, für noch viel wichtiger als überhaupt je zuvor. Weil wenn ich, wenn ich das nämlich nicht täte, dann würde ich ja dem Bösen, den Tätern, der Gewalt, dem Übel Recht geben, also der Auferstehungs Glaube ist für mich auch ein Protest Glaube, der mich schützt vor Resignation und dem sich ergeben dem Bösen gegenüber.
Michael Chalupka: Dass der Evangelischen nicht fasten, das weiß ich nicht. Vielleicht fasten Sie nicht in der Fastenzeit, sondern dann, wenn Sie sich individuell dazu entscheiden. Wir feiern gerade, oder haben das Jahr 2022 zum Jahr der Schöpfung ausgerufen. Und da ist genau dieser Aspekt, dass wir die ganze Kirche als Institution auch zum Beispiel dazu umgestalten wollen, CO2 frei zu werden, klimaneutral zu werden. Das heißt, das geht auch nur durch Reduktion. Das geht auch nur durch Zukunftsbilder, die wir entwickeln, die ein gelungenes Leben nicht von der Fülle des verbrauchten Erdöls, Erdgases, was auch immer abhängig machen. Das heißt Reduktion, Besinnung auf das Wesentliche ist ein wichtiger Gedanke auch für Evangelische. Gerade in der Passionszeit, wo wir eben an das Unverfügbare, auch das Leiden denken, die wir eben nicht Fastenzeit nennen, weil wir da immer den Amos im Ohr haben, das Fasten auch etwas sehr Vordergründiges sein kann, aber was nicht in die Tiefe geht, und das ist das, was wir ein bisschen mitgenommen haben aus der Reformation.
Bernd Gratzer: Und es gibt ja wahnsinnig viel Veranstaltungen zum Jahr der Schöpfung. Also wen es interessiert: www.evang.at/schoepfung, da ist für jeden etwas Passendes dabei.
Regina Polak: Da spricht Detlef eine schwierige Theologie, die meines Wissens nach so eigentlich hoffentlich nicht mehr geglaubt wird, an. Die Vorstellung, dass da ein quasi allmächtiger Gott sitzt und der braucht jetzt quasi ein Sühneopfer. Und sein eigener Sohn muss das Blut vergießen, damit wir gerettet sind. Das gab es sehr lange, diese Vorstellungen. Vielleicht gibt es die auch noch? Ich hoffe nicht. Für mich selber ist eigentlich die Darstellung oder das Thematisieren von Gewalt, Krieg oder überhaupt dem Bösen nicht nur bei der Kreuzigung, sondern überhaupt in der Bibel :insofern bedeutsam, als zu meinem Glauben ganz wesentlich dazugehört, dass das menschliche Realitäten sind und dass die biblischen Texte etwas tun und damit auch die Erinnerung an die Kreuzigung, was sonst immer verschwiegen wird in den Helden Mythen unserer Zeit und der damaligen Zeit, also um das um Gewalt bekämpfen zu können, muss ich zuerst mal sichtbar werden. Müssen die Opfer sichtbar werden, muss das benannt werden? Das ist nicht angenehm, das ist mir schon klar. Aber es gehört offensichtlich zur menschlichen Natur, zur menschlichen Geschichte. Dass heilt als solches noch nicht. Aber die Erinnerung an den Karfreitag ist ja eben auch eingebettet in diese Dynamik von von Gründonnerstag bis zu Ostern, wo quasi eben nicht zu geschwind zu Ostern zur Auferstehung hinüber rutschen kann, sondern sich zuerst einmal der Realität dieser Gewalt stellen muss. Und das geschieht am Karfreitag, oder daran erinnern wir uns. Es gehört leider dazu, und wir werden uns davon nur befreien können, wenn wir es auch sichtbar machen und uns dann überlegen, wie entsteht eine solche Situation? Und das kann man bei der Kreuzigung Jesu rekonstruieren. Und die Botschaft ist dann am Ende des Tages, diese Gewalt hat aber nicht das letzte Wort.
Michael Chalupka: Und wir brauchen keine Opfer mehr, insofern braucht die Gewalt und das Blut nicht mehr. Diese Realität gibt es, aber wir brauchen sie nicht und niemand darf sich darauf berufen, ein Opfer im Namen eines Gottes, im Namen einer Nation oder was auch immer zu produzieren und zu überhöhen.
Michael Chalupka: Ich denke man wird darüber nachdenken müssen. Und das hat die evangelische Kirche in dieser Diskussion auch schon getan, dass wir in einer pluralen Gesellschaft leben und dass wir hier verschiedenste Traditionen haben, die wir auch wertschätzen wollen. Wir haben vorher von der Tiefe in der eigenen Religion geredet und ich glaube nur, wenn man in der eigenen Religiosität, Religion, auch Tiefe gewinnt, ist man für einen interreligiösen oder ökumenischen Dialog überhaupt erst fähig. Erst dann kann ich etwas über andere lernen. Aber wenn wir diese Pluralität anstreben, dann sollten auch verschiedenste Gruppen Möglichkeiten haben. Ein Vorschlag, der damals in der Diskussion war und wo sozusagen jetzt dieser furchtbare persönliche Feiertag, der eigentlich ein Urlaubstag ist, rausgekommen ist, ist ein persönlicher Feiertag, der aber zusätzlich vom Staat garantiert wird. Genau für diese gemeinschaftlichen Feiern in einer pluralen religiösen Landschaft.
Regina Polak: Ich hielte einen solchen Tag für dringend notwendig für alle anerkannten Religionsgemeinschaften, weil das quasi das rechtlich sichtbare Symbol dafür wäre. Was ich aber auch glaube, ist, dass es dafür einen breiten gesellschaftlichen, demokratischen Diskurs auch mit nichtreligiösen Menschen braucht. Weil der Status von Religion in unserer Gesellschaft ja nicht ganz unumstritten ist. Wir brauchen eine breite Auseinandersetzung. Welche Rolle, welche Bedeutung darf, soll Religion eigentlich in der österreichischen Gesellschaft spielen, damit auch nicht religiöse oder säkulare oder atheistische Menschen einfach verstehen, warum das für uns religiöse Menschen etwas Wichtiges und Bedeutsames ist? Und wird da auch eine entsprechende öffentliche und rechtliche Anerkennung dafür haben möchten.
Michael Chalupka: All die jetzt zu Hause da zuhören in einer Situation, die uns auch immer wieder spüren lässt, wie ohnmächtig wir sind. Wir leben in Zeiten, wo ganz viele ihre Ohnmacht spüren, wo sie Bilder sehen, die wir nie sehen wollen. Dass sie sich getragen fühlen. Einerseits in einer Gemeinschaft von Christinnen und Christen, aber auch anderen, die in dieser Solidarität vereint sind, aber sich auch getragen fühlen. Im letzten Jahr von Gott und von der Idee, dass von Ostern, dass der Tod eben nicht das letzte Wort hat, sondern dass das Ja zum Leben das letzte Wort ist.
Regina Polak: Ich erinnere immer ganz gern an die Entstehungs Kontexte der Texte der Heiligen Schrift. Wenn man da genau hinschaut, ist das ja nicht nur ein Hintergrund, sondern die meisten dieser Texte entstehen in Situationen von Gewalt, von Vertreibung, von imperialen Mächten, die Schrecken, Angst und Terror verbreiten, in der Diaspora, im Exil. Der Tempel wird zerstört. Der römische Krieg wird verloren. Familien sind zerstört. Unser christlicher Glaube ist genau in solchen Situationen entstanden, von denen wir hier in Wien Gott sei Dank ich noch entfernt sind. Das gibt mir Trost, weil wenn ich mir denke, okay, die Vorfahren im Glauben haben, diese haben sich diesen Situationen nicht ergeben, sondern haben sich hingesetzt, haben ihre Texte herangezogen und haben sich gefragt: Okay, das ist jetzt nicht gut, aber was können wir lernen daraus? Was können wir mit und über Gott neu lernen und was müssen wir jetzt tun, damit sich so ein Wahnsinn nicht mehr wiederholt? Das hilft mir sehr. Deswegen glaube ich, wünsche ich Ihnen eine gute und auch gute Schrift Lesungen in diesen Tagen. Da kann man wirklich Kraft daraus beziehen.