20 Fragen über die Jahreslosung und die evangelischen Schwerpunkte 2022, mit Superintendentialkuratorin Petra Mandl und Superintendent Matthias Geist
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Petra Mandl: Ja, lieber Bernd, nicht nur die Word Rechtschreibung, sondern auch viele Menschen außerhalb der Evangelischen Kirche und den evangelischen Insidern kennen dieses Wort nicht. Als ich in dieses Amt gewählt wurde und das ist schon ein Hinweis, ich wurde gewählt, musste ich meinem Umfeld, also meinen Familienangehörigen, meinen Kolleg*innen und auch einigen Freunden und Freundinnen ziemlich lange erklären, was das ist. Also die Superintendentialkuratorin oder der Kurator sind dem Fall halt ich als Frau steht gemeinsam mit dem Superintendenten oder einer Superintendentin, in dem Fall ist es natürlich, dass Superintendent Matthias Geist, einer Superintendenz vor. In der Evangelischen Kirche ist es vorgesehen, dass immer, dass es immer eine geistliche und eine weltliche Leitung gibt. Das fängt auf Gemeindeebene an, mit Pfarrer*in oder Kurator*in und geht bis zum Bischof. Momentan haben wir einen Bischof, dem der Synodenpräsident an seiner Seite hat. Und auf der mittleren Ebene eben auf der Ebene der Superintendenz gibt es im Superintendenten und abgekürzt, weil einfacher die in dem Fall in Wien die Supkuratorin. Diese Funktion ist ehrenamtlich. Ich mache das neben meiner Vollzeit Tätigkeit als Sozialarbeiterin. Und eines möchte ich schon sagen, die Tatsache, dass diese Bezeichnung so wenig bekannt ist und sich auch so sperrig anhört, ist schon sehr bezeichnend für die evangelische Kirche. Ich finde, dass manche Bezeichnungen und auch manche Strukturen man schon hinterfragen könnte, ob die noch zeitgemäß sind und manches würde einen moderneren Anstrich vertragen. Meiner Meinung nach.
Matthias Geist: Ja, also ich versuche einmal dreifach anzusetzen, weil mir verschiedenes durch den Kopf geht. Ich weiß nicht, ob ihr da zufällig auch ein bisschen oder ähnlich ticken könnten. Das erste ist etwas sehr Allgemeines. Ich möchte mich möglichst wenig ärgern. Das ist ein Grundsatz, der nicht immer einzuhalten ist. Aber versuchsweise kennt man das ja machen. Das zweite ist eher sehr lebensweltlich in meiner Familie beheimatet. Ich möchte meiner Frau zuliebe nach Kochbüchern kochen lernen. Nämlich deswegen, weil ich das lieber ohne Kochbücher tue. Deswegen oft kreativ und nach Gespür und nicht immer so ganz zielgenau treffe, was ich will. Aber meistens. Vielleicht gelingt es mit den Kochbüchern besser und am wirklich wichtigsten und am ernsthaftesten und das sage ich jetzt nicht nur dir, Günther, sondern auch dem Bernd, der mich darauf ja gelegentlich hinweist. Ich möchte möglichst nie nach Mitternacht ins Bett gehen. Das tut mir und meinen sonstigen Vorhaben nämlich eigentlich nicht gut. Weder für die Familie noch für den Schlaf, noch für die Effizienz, die man für das Hobby oder vor allem auch den Beruf in manchen Tätigkeiten ja auch brauchen kann. Das heißt, a bisserl mehr Schlaf wäre nicht so schlecht.
Bernd Gratzer: Petra, deine Vorsätze für das neue Jahr.
Petra Mandl: Ja, ich muss gestehen, ich habe keine Vorsätze für das neue Jahr. Ich mache nie Vorsätze für das neue Jahr. Ich habe in meinem Umfeld schon so oft erlebt, dass Menschen Vorsätze hatten, die dann nicht eingehalten haben und dann sehr enttäuscht waren und sehr frustriert waren darüber, dass sie die nicht eingehalten haben. Also ich fange mit dem gar nichts an. Ich denke mir während des Jahres immer wieder mal eben auch so Dinge wie mehr Schlaf, weniger Stress oder was auch immer. Was eben so daherkommt im Alltag. Und wenn man Situationen dann gut bewältigt oder Ziele, die man sich steckt, erreicht, freut man sich das ganze Jahr über.
Matthias Geist: Was ist eine Jahreslosung? Eine ganz komische Frage, weil bei Losen kann man ja an Verschiedenes denken. Zum Beispiel an eine Losung eines Tieres, eines Hasen oder was auch immer. Aber so ist es eigentlich nicht gemeint, dass das irgendwie eine, eine Ausscheidung, ein Exkrement, was auch immer ist, sondern eine Losung hat wirklich ursächlich was mit Losen zu tun. Bei der Jahreslosung ist es schon ein wenig anders, aber trotzdem, es soll immer die Jahreslosung ein Vers sein. Ein Vers aus der Bibel und im Grunde genommen, ein Gedanke, eine gesunde Mischung aus Wahrheit, die man ergründen kann und Hoffnung für das nächste Jahr heißt sie ja aus dem Johannesevangelium, Jesus Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“. Und wenn ich so ein Wort höre, lese, meditiere, dann sehe ich auf jeden Fall auch nicht das, was mich oft ärgert, nämlich eine horoskop artige Lebensweisheit, der entweder Schwachsinn zugrunde liegt oder nichtssagende Gedankenführung. Ich war auch sehr froh, bei manchen Radiosendern in der Früh nicht ein unnötiges Gesäusel über allen allerwelts Weisheiten zu hören, sondern zwischen den Nachrichten, sondern ein kraftvolles Wort, das auch in dem Fall wirklich mich selber herausfordert und zum Nachdenken anregt. In jedem Fall soll es für mich so sein. Ich darf und will mir ja die Welt nicht nur selbst ausdenken. Das wäre schade, da würde ich zu kurz kommen, glaube ich, sondern ich darf in meinem Glauben und in meinem Leben auch Impulse von außen aufgreifen. Und solch einen Impuls wünsche ich mir von solchen kraftvollen Worten.
Petra Mandl: Die Frage, lieber Anton, irritiert mich ein bisschen oder hat mich irritiert, denn ich habe die Jahreslosung in erster Linie als Zusage gesehen. Bei näherer Betrachtung erkennt man aber tatsächlich, dass die Jahreslosung eine Zusage und ein Auftrag zugleich ist. Die Zusage, dass Jesus eben niemanden abweisen wird, der zu ihm kommt. Aber auch den Auftrag, dass auch wir Menschen niemanden abweisen, der zu uns kommen will und dass wir als Kirche auch niemanden abweisen sollen, natürlich, die in unsere Kirchen kommen wollen. Und sogar mehr noch. Ich nehme konkret den Auftrag mit, dass die Kirche so zu gestalten, dass sie offen ist für alle, die kommen wollen. Durch Verkündigung, Seelsorge und Diakonie sollen die Menschen in ihren Bedürfnissen wahrgenommen werden und niederschwellige Angebote gesetzt werden, sodass alle, die kommen, nicht nur nicht abgewiesen, sondern auch sich wohlfühlen und auch bleiben.
Matthias Geist: Also bei der Jahreslosung selber ist es nicht so wie in der Lotterie. Bei der Tageslosung schon. Das ist interessant, dass die Tageslosungen, nämlich das Wort aus dem Alten Testament, tatsächlich aus einem großen mehr tausend Worte umfassenden Schatz gelost wird. Und da hat niemand anderen Einfluss, als kann man sagen eine Glücksfee oder ein Mensch, der das halt zieht. Bei der Jahreslosung ist es ein wenig anders, und zwar aus einem guten Grund heraus, würde ich meinen. Bei der Tageslosung kann es ja sein, dass auch das eine oder andere unverständliche Wort auch zum Vorschein kommen kann. Und wenn es dann bei der Jahreslosung so wäre, dass das eine Jahr heißen würde und Kain erschlug Abel und im nächsten Jahr würde es heißen Jesus sprach geh hin und tu desgleichen, dann wüsste man schon, die Bibel miteinander falsch zu vermixen, das wäre ein Schwachsinn. Bei der Jahreslosung ist es schon so, dass es einen gewissen Grundsatz gibt. Das ist nämlich eine Vorgehensweise gibt, dass es ökumenisch abgestimmt ist. Es gibt Vorschläge. Eine größere Zahl bis zu 50 werden wahrscheinlich von den 24 Bereichen, die im Ökumenischen Arbeitskreis für Bibellesen vereinigt sind, gefunden werden. Und aus denen wird in einem sehr raschen Wahl und Entscheidungs-, aber vorher in einem Beratungsverfahren, dann auf zwei hin gesteuert. Und aus diesem zweien wird dieser Vers als Bibelvers für die Jahreslosung genommen, der also die absolute Mehrheit dann auch gewinnt.
Matthias Geist: Ja, Sandra, die Jahreslosung gilt für zunächst einmal für dich und für mich, also für Menschen, nicht für unbedingt eine Institution. Natürlich kann man sagen, es ist eine eher bis ganz deutliche evangelische Erfindung. Im Jahr 1930 hat sich aber dann, so muss man es auch wirklich sagen, hat mit mir nichts zu tun, aber trotzdem in meinem Geburtsjahr 1969 eine ökumenische Erweiterung erfahren. Das heißt, es erweitert sich der Kreis von Freikirchen zu evangelischen und diakonischen Einrichtungen bis hin auch in die katholische Kirche, die sich auf diese Jahreslosung beziehen. Es ist auch im deutschsprachigen Raum zunächst einmal angesiedelt. Weltweit, muss ich aber ehrlich sagen, habe ich es deswegen selbst schon erfahren und verwendet, weil es mir in den Gefängniss Gottesdiensten, die ich früher gemacht habe zu Silvester und Neujahrsgottesdienst auch wichtig war, die deutschsprachige Jahreslosung zu nehmen für die Predigt und dann mit den Insassinnen und Insassen der verschiedensten Herkunftsländer und Sprachen auch darüber zu meditieren. Das heißt, ich habe dann auch auf Slowakisch, Ungarisch, Chinesisch, Schwedisch, Englisch sowieso die Jahreslosung mir übersetzt oder mit dem Internet und mich an dem orientiert und auch andere, nämlich weltweite Kreise davon teilhaben lassen.
Petra Mandl: Ja, das ist eine sehr interessante Frage. Da musste ich auch ein bisschen nachdenken. Aber es sei mir erlaubt, diese Frage nicht als Frage zu beantworten, sondern ich sehe es als eine Notwendigkeit an, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt die Schöpfung als Jahresm otto in den Mittelpunkt stellen und uns mit allen Aspekten, mit der Schöpfung und ihrer momentanen Bedrohung durch Klimawandel, Ausbeutung der Ressourcen und auch mit den Auswirkungen, die diese Bedrohung auf die Menschen hat, auseinandersetzen. Wir in Mitteleuropa merken die Auswirkungen durch die heißen Sommer, gepaart durch extremen Niederschlag, der zu Überschwemmungen führen kann. So stark, dass Menschen ihr Dach über den Kopf und ihr Hab und Gut verlieren. In anderen Teilen der Erde verlieren die Menschen durch den Klimawandel tatsächlich ihren Lebensraum und müssen sich woanders niederlassen. Und es gibt noch viele andere Auswirkungen, wo Menschen direkt von der Bedrohung der Schöpfung betroffen sind. Und da ist für mich die Brücke zur Jahreslosung. Hier haben wir wieder beides, so wie ich es in der vorherigen Frage schon angesprochen habe. Einerseits die Zusage und andererseits den Auftrag. Die Zusage von Jesus, er kennt die Nöte der Menschen, er weist niemanden ab, der zu ihm kommt. Und der Auftrag an uns, dass wir als Christen unsere Verantwortung für die Schöpfung und die Menschen, die darin leben, übernehmen und tätig sind.
Petra Mandl: Ja, lieber Rolf, du hast auf jeden Fall recht mit dem Begriff Festung Europas. Die vielen Menschen, die im Mittelmeer ertrinken, die Menschen, die in unwürdigen Umständen in den diversen Lagern leben. Die Menschen, die zur Erpressungsware machtgierigen Diktatoren werden. Für mich ist es angesichts der Verzweiflung und der Ohnmacht dann aber doch immer Mut machend und und gibt doch Kraft zu sehen, dass die Zivilgesellschaft und auch kirchliche Organisationen hier immer wieder ein Zeichen setzen, um ganz aktiv den Betroffenen beizustehen. Sei es jetzt bei der Rettung von Geflüchteten aus dem Meer, in den Flüchtlingslagern vor Ort oder auch jetzt an der Grenze zu Belarus. Das sind nur natürlich vor Ort Maßnahmen, die allergrößtes Leid zu verhindern versuchen, die aber an der Ursache, warum Menschen flüchten und an der Politik der Abschottung der reichen westlichen Staaten nicht viel ändern. Pathetisch und zynisch im Zusammenhang mit einem Bibelwort da tue ich mir ehrlich gesagt schon schwer, das so stehen zu lassen. Ich denke, auch hier kann das Bibelwort eine Botschaft sein, in dem Sinne, wie ich schon gesagt habe, eine Botschaft für die betroffenen Menschen, dass Jesus sie in ihrer Not sieht. Aber auch ganz klar die Aufgabe für uns, sowohl in der direkten Hilfe für diese Menschen tätig zu sein, aber auch und da haben die Kirchen meiner Meinung nach einen ganz starken Auftrag, die Mächtigen in dieser Welt in die Pflicht zu nehmen und sie an ihre Aufgabe im Sinne der Menschenrechte, im Sinne der Nächstenliebe und Solidarität tätig zu sein, hinzuweisen.
Matthias Geist: Ja, natürlich. Es war ein Bibelvers, der ja gezogen wurde, und der hat zunächst nicht direkt mit dem Flüchtlingsthema so ganz direkt zu tun. Aber es ist zweifellos so, dass es in der Zeit der biblischen Schriften genügend Fluchtgeschichten gibt, dass es Menschen gab die Flucht aus Ägypten von Moses, die Flucht von Joseph und seiner Familie, jetzt in der Weihnacht- und Neujahrszeit denken wir ja vielfach daran, weil in Bethlehem der Kindermord angesagt war. Also Bedrohung, Unterdrückung, Ausgrenzung durch Situationen, in denen Menschen gelebt haben, haben immer in der Bibel eine große Rolle gespielt. Und dann die Frage: Wo kann Schutz geboten werden? Wo löst sich etwas auf, so dass die Freiheit, zu der wir auch berufen und zu der wir geboren sind, wirksam werden kann? Ich denke, dass das im Johannes Evangelium steht, dieser Vers, den wir gehört haben, kann uns auch schon dazu führen, noch einmal nachzuschauen, was dort im Umfeld steht. Und beispielsweise kommt er direkt noch im Kontext dazu, das ist der Wille seines Vaters, wie Jesus sagt ist, also seines Vaters und unseres Vaters, dass jeder und jede, die ihn so sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben. Und wenn wir das ewige Leben haben, dann verweist das auf so viele Menschen, die auch in dieser bedrückenden Lebenssituation vielleicht zunächst nur als Ausgegrenzte gelebt haben. Aber zwei Kapitel vorher war eben beispielsweise die Samaritanerin auch eine Frau, die am Brunnen sich von Jesus plötzlich ansprechen lassen darf und muss und sich sowas von wundert, dass man sich fragen muss, wie geht das zu bei Jesus, der sich da nicht kleinkriegen lässt und auch schon gar nicht die Frau ausgrenzt, sondern sie einbezieht und mit ihr ein Gespräch beginnt? Das verwundert, wenn Jesus alle einbezieht.
Matthias Geist: Ja, ich habe ja, wie schon gesagt, längere Zeit in der Gefängnisseelsorge gearbeitet. Und da bin ich mit mindestens drei Gruppen immer wieder an einen Punkt gestoßen, der auch dieses Einbeziehen, das zu mir kommen lassen ganz stark gewirkt hat, ja erfordert hat. Zunächst war es immer für mich selber die Gefangenen. Nicht nur, dass ich sie an mich heran gelassen habe, das ja sowieso und gerne, sondern sie sind nicht gewollt in der Gesellschaft. Auch im System eines Gefängnisses kommen sie nicht immer zu den Rechten, ganz leicht, die ihnen eigentlich zustehen. Und es war für mich sehr befreiend zu sehen, auch wo in den Gefängnissen Zutritt zur Menschlichkeit geschaffen wird und wo es auch in den Augen plötzlich sicht- und spürbar geworden ist. Ja, es gibt doch jemanden, der wieder neu auf mich schaut. Dann war es aber auch die Angehörigen der Gefangenen, die da draußen leben, die also eine Freiheit haben, aber in der Freiheit sich auch eigentlich vor Scham nicht unbedingt mehr zutrauen, ihr Leben so ganz leicht zu bewältigen, als ob es da nicht neben her ein Thema gäbe, das sie enorm belastet. Und auch da musste und durfte ich ja sehen, wie befreiend es war, wenn man ihnen sagt: Kommt einfach in unsere Räumlichkeiten, wir treffen uns zu zweit, zu fünft, zu zehnt. Und ganz spannend war es dann auch bei den Justiz Bediensteten. Die waren für mich nicht böse, aber zunächst nicht meine Partie, sag ich jetzt mal und ich hab’s dann erst kennengelernt, dass man nicht nur mit ihnen zusammenarbeiten darf und soll, sondern auch genau hinzuhören, wo er oder sie als Justizwache Beamt*in oder als Sozialarbeiter, Sozialarbeiterin oder als Psychologe auch Zuspruch braucht, gehört werden will, herangelassen werden will und dann man sich ja viel leichter miteinander tut. Und auch für das Wirken innerhalb der Haftanstalten.
Matthias Geist: Ja, ich wäre gerne genauso wie du, Max, im Gespräch mit Jesus, so ganz hautnah und live. So wie er als Zwölfjähriger mit den Schriftgelehrten geplaudert hat, frei von der Leber weg. Wunderknabe? Na ja, oder doch nicht? Wir wissen es ja nicht. Er hat auf jeden Fall was drauf gehabt. Und noch lieber wäre ich bei der Bergpredigt bei ihm gewesen und hätte mit ihm geplaudert, was ich gut finde und was auch vielleicht nicht so ganz für mich verständlich ist. Das mit der zweiten Wange hinhalten, die dann irgendwie zeigt, wie Feindesliebe ich doch auch üben soll. Das ist mir ein wenig spanisch. Gerne wäre ich bei der Bergwanderung mit Johannes, Jakobus und Petrus dabei gewesen. Es muss ein himmlisches Gefühl gewesen sein dort oben, auch wenn ich selber dort keine Hütte wahrscheinlich gebaut hätte und bauen hätte wollen. Am meisten finde ich aber übt der Reiz wirklich das Gefühl aus, in ein vertrauliches Gespräch eben mit so einem Menschen wie Jesus uns vor Augen geführt wird, zu treten. Da glaube ich, dass auch du, also du Max, oder du, der du jetzt zuhörst, es schaffen kannst, dir das Gespräch einfach vorzustellen, wie es ein Zachäus gesucht hat und sich nicht ganz getraut hat. Und der Jesus sagt: Komm mit, lade mich zu dir nach Hause ein, ich möchte einfach mit dir reden. Du hast wahrscheinlich was zu erzählen und ich höre dir gerne zu. Und wenn ich mich auf so einen Menschen im Gefühl einstelle, einlassen kann, dann werde ich wohl auch ein inneres Gespräch und einen Dialog führen können, der endet eigentlich wie ein Gebet, für mich sonst auch immer lautet, Ich rede mit Jesus.
Petra Mandl: Ja, liebe Birte, die Kirche hat im Jahr 2022 viele Herausforderungen zu bewältigen und somit die auch in der Kirche tätigen und somit auch ich ganz persönlich oder in meiner Funktion. Wenn Sie nämlich in einer säkularisierten Gesellschaft Bestand haben wollen. Es ist ja nicht unbekannt, dass Mitgliederzahlen stetig sinken und damit auch die Ressourcen. Aber meiner Meinung nach ist nicht immer alles eine Frage der Ressourcen oder ob zu viel oder zu wenig da ist. Wir müssen uns schon die Frage stellen, ob unsere Strukturen, unsere Verwaltung oder diese Dinge Kräfte binden, die uns an der Ausübung unserer Kernaufgaben hindern. Wir in Wien gehen nun den Weg der regionalen Zusammenarbeit oder versuchen es jetzt und erhoffen uns dadurch für die Herausforderungen der Kirche in der Großstadt auch für die Zukunft gerüstet zu sein.
Petra Mandl: Johannes, ich kann die Frage beantworten unter der Voraussetzung, dass wir die Coronakrise in den Griff bekommen. Denn das, worauf ich mich am meisten freue und was mir am meisten Spaß macht in dieser Funktion, ist die Begegnung mit den Menschen in den Gemeinden, gemeinsam Gottesdienst feiern oder bei Veranstaltungen dabei sein. Besuche in den Presbyterien darüber zu reden, was die Verantwortlichen in den Gemeinden bewegt. Ich hoffe, dass das bald wieder uneingeschränkt möglich ist. Und im Übrigen: Presbyterium, weil das ja, weil ich das gerade gesagt habe, ist auch so ein sperriger Begriff, mit dem außerhalb unserer Kirche niemand etwas anfangen kann. Ich hoffe, Sie Johannes es, können damit was anfangen.
Petra Mandl: Ja, lieber Ferdinand, ich habe schon erwähnt, dass wir in Wien regionale Zusammenarbeit vorhaben. Das ist ein sehr langfristiger Prozess, bei dem wir uns im Superintendentialausschuss, das ist das Leitungsgremium der Wiener Superintendenz, kurz Supausschuss sehr viele Gedanken zur Vorbereitung gemacht haben und im Herbst nun in fünf Regionen mit einem Kick off gestartet sind. Das war für mich schon ein Erfolg, dass wir alle Gemeinden motivieren konnten, zumindest einmal zu beginnen, erstmals gemeinsam Schritte zu gehen. Niederlagen habe ich in dem Sinne nicht erlebt oder habe ich vielleicht verdrängt, wohl aber schon gewisse Stolpersteine. Und die Schlüsse, die ich daraus ziehe, sind, dass Menschen in den Gemeinden oder die die Verantwortungsträger*innen und oder die Mitglieder in den einzelnen Gemeinden sehr mit diesen identifiziert sind und wir als Supausschuss ganz Wien im Blick haben. Und daher erkennt man schon, dass es da und dort unterschiedliche Sichtweisen gibt und unterschiedliche Geschwindigkeiten, wenn man etwas umsetzen will. Das erfordert achtsame Kommunikation, immer in Offenheit und größtmöglicher Transparenz.
Matthias Geist: Lieber Hans, die Austretenden sind bei uns im Grunde genommen gleich viele wie eben in der Schwesterkirche, manchmal sogar mehr. Und ich finde es schwierig und gleichzeitig auch in heutiger Zeit durchaus auch normal und nicht nur als reine Belastung. Schwierig ist es deswegen, weil wir gerne mit vielen Menschen ja sowieso in Kontakt sind und auch darüber dann ganz viel teilen können. Schwierig deswegen, weil wir oft natürlich auch kompliziert sind, so wie es auch die Petra schon gesagt hat und manchmal auch ein falsches Bild oder ein sehr komplexes Bild von uns nach außen tragen und nicht so über sprühende Energie ausstrahlen, die wir eigentlich verkörpern möchten. Gleichzeitig ist es völlig normal, dass wir weniger werden. Das ist bei allen Institutionen so. Alle Vereine werden wahrscheinlich in Zukunft etwas eher weniger und dürftiger ausgestattet sein. Ich glaube, als Evangelische dürfen wir wissen, wir wollen ja die Menschen nicht zum Zwecke, dass sie eingetreten sind oder Kirchenbeitrag zahlen an uns binden und dann, wenn sie es nicht sind, dann wünschen wir sie zum Teufel, so quasi, das ist es ja nicht. Wir wollen mit ihnen eine lebendige Beziehung haben und es hängt die Liebe Gottes ja für uns alle und auch die, die ausgetreten sind, die vielleicht wieder eintreten, nicht daran, dass jeder ein Mitglied ist. Wir möchten natürlich auch aus der gesamten Situation immer wieder lernen, und zwar genau mit all jenen Evangelischen, die uns vielleicht verlassen könnten oder noch nicht evangelisch geworden sind. Vielleicht ja auch solche, die es einmal waren oder noch nie an uns herangetreten sind, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ganz egal, ob du jetzt in die Kirche gehst oder nicht, ob du Geld hast oder nicht oder an Gott glaubst oder nicht. Ich finde die Gespräche mit Ausgetretenen zum Beispiel sehr erfreulich und spannend, weil sie mir auch das Leben, wie es so spielt, vor Augen führen. Und das finde ich eigentlich das Spannendste.
Matthias Geist: Ja, das stimmt, sagen wir mal für alle Jahre, irgendwie. Die kirchlichen Schwerpunkte im nächsten Jahr ganz besonders liegen einerseits schon ganz bewusst in der Schöpfungs Verantwortung. Im Jahr der Schöpfung wollen wir uns eben mit verschiedensten Aktionen auch an den Themen des Klimaschutzes und der Verantwortung für unsere Welt und Umwelt üben. Die diakonische Dimension, die du da nennst, Esther, ist immer auch wichtig und ich hoffe, wir vergessen in aller Übernahme von Verantwortung nie auf das eine. Wir können alleine gar nichts machen. Wir können uns in Zukunft nur dann gut entwickeln, wenn wir einen gesellschaftlichen Frieden auch der Generationen beispielsweise und das sprichst du ja an mit den Kranken, Schwachen, Alten eventuell, dass wir uns eben nicht darauf verlassen, es geht also ganz gemütlich weiter, sondern wir müssen uns miteinander gut voran entwickeln, dass die Alten, zu denen ich ja mittlerweile auch zähle, wir haben den Jüngeren, in der jungen Generation auch etwas mitgegeben, was vielleicht in Umwelt sicht, zum Beispiel etwas schädlich schon war. Umgekehrt werden wir selber älter und vor allem die uns vor Augen seienden älteren Generationen, die vielleicht in ein Heim übersiedeln, Pflege bedürfen für sie gut zu sorgen. Selber, ohne es auch als Gesellschaft gut tragfähig werden zu lassen, halte ich immer auch eine Zukunfts Verantwortung. Und auch die passt für mich in ein Jahr der Schöpfung Verantwortung ganz gut hinein. Ich möchte auf jeden Fall seelsorgerlich so gut es geht in alle Kreise und Bereiche unserer Gesellschaft hineinwirken und möglichst natürlich immer das tagesaktuelle Geschehen nicht außer Acht lassen, sondern auf das auch aktuellst reagieren.
Petra Mandl: Ja, liebe Franziska, ich kann Sie sehr gut verstehen. Auch ich hatte beim letzten Lockdown ein ziemliches Tief, denn ich dachte, mit den Maßnahmen, mit den Impfen, mit dem Testen bekommen wir das alles schon hin und dann kommt jetzt eine neue Variante und ja, und dann sind wir wieder zu Hause gesessen und wieder war alles zugesperrt. Im Alltag haben wir die vielfältigen digitalen Angebote unserer Kirche schon sehr geholfen. Immer wenn mir danach war, konnte ich mir etwas anschauen, anhören an Gemeinschaft mittels Zoom, oder anderer Plattformen teilnehmen. Aber das sind natürlich nur kleine Trostpflaster. In der Bibel bin ich darauf gestoßen, dass dort oft von Zuversicht die Rede ist, zum Beispiel in den Psalmen. Bei Gott ist mein Heil, meine Ehre, der Fels meiner Stärke. Meine Zuversicht ist auf Gott. Und es tut mir gut, diese Psalm Worte auf mich wirken zu lassen. Von diesem Vertrauen zu hören, das gibt mir wirklich Kraft für den Alltag mit der Pandemie und für die zukünftigen Herausforderungen, die es noch zu bewältigen gilt.
Matthias Geist: Ja liebe Lieselotte, auf jeden Fall freue ich mich auch für dich, dass du zum Ersten Mal Oma wirst. Das habe ich noch nicht geschafft, Opa zu werden. Aber das ist eigentlich sicher sehr spannendes, neues Lebensgefühl auch. Trotzdem muss ich dir eines sagen: Ich möchte gar nicht, dass du deine Tochter über redest. Das wäre mir genauso ein unfreier Wille, den wir in unserer evangelischen Kirche eigentlich gar nicht so unbedingt brauchen, dass jemand überzeugt und gar überredet werden soll. Deine Tochter sieht etwas gerade als nicht so wichtig oder stimmig an, so höre ich es jetzt aus deiner Frage. Aber was sieht sie als wichtig an, wenn sie ein Kind auf die Welt bringt? Das wird mich auf jeden Fall als erstes in meiner Funktion oder in meiner Person interessieren. Vielleicht ja dich eh auch. Und ich habe auch relativ gute Erfahrungen immer dann gemacht, wenn man darüber ganz offen und ohne Absicht spricht. Nicht im Überzeugungs und Überredens Stil. Niemand, also weder den Enkel noch deine Tochter noch die evangelische Kirche erleiden Schaden, gravierenden oder gar Höllenfeuer, wenn das Kind nicht getauft wird. Das bin ich ganz zutiefst überzeugt. Und ich finde es immer schön, wenn es allerlei Kinder und Jugendliche und Erwachsene dann gibt und geben wird, die in einer vielleicht anderen Freiheit, als es uns gewohnt war, mit oder ohne Religionsunterricht aufwachsen. Aber auf jeden Fall sollen sie eines mitbekommen viel von der Liebe, die sie erwarten und erwarten dürfen. Auch von dir, Liselotte, und von deiner Tochter wird das ja das Allerwichtigste sein. Und darüber freut sich jedes Kind, jedes Kind Gottes am meistne, da bin ich mir sicher.
Petra Mandl: Ja Gudrun, das ist eine interessante Frage. Ich hoffe nicht, dass sie mit der Corona Situation zusammenhängt, denn ich bin ja sehr zuversichtlich, dass wir diese Krise letztlich bewältigen. Aber wenn ich mir wirklich vorstelle, nur mehr ein Jahr zu haben, dann würde ich gerne noch einmal auf ein richtig großes Konzert gehen. Zum Beispiel von U2, Coldplay, Rolling Stones, in der Größenordnung. Dann würde ich natürlich noch gerne mit meinem Mann eine große Reise machen, irgendwo auf der Welt, wo wir noch nicht waren. Und ich würde ein großes Fest feiern wollen mit allen Menschen, die mir lieb und wert sind: Familie, Freunde, Kolleg*innen, Nachbar*innen, mit dem Herrn Superintendenten und seiner Familie, mit dem lieben Bernd und allen, die hier auch in der Superintendentur tätig sind. Also alle Menschen, die wir lieb und wert sind, möchte ich eine gute Zeit verbringen mit ein richtiges Fest, mit Essen, Trinken, Musik, Tanz und einfach Freude haben und die Gemeinschaft genießen.
Bernd Gratzer: So ein Fest zu feiern wäre wieder schön, aber vielleicht nicht, weil es unser letztes Fest ist. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir das dieses Jahr irgendwann schaffen können. Matthias, deine drei Dinge?
Matthias Geist: Erstens muss ich natürlich der Petra recht geben, also Ihr letzter Gedanke, den könnte ich natürlich genauso teilen, aber ich habe mich auch das immer wieder schon gefragt: Was täte ich, wenn es jetzt wirklich ein letztes Mal so einen Durchlauf eines Jahres gäbe? Da wirst du vielleicht auch etwas Skurriles von mir hören. Ich bin ja auch mathematisch interessiert und schlafe am besten zurzeit immer dann ein, wenn ich mir eine sinnlose Frage, die kein Mensch lösen kann, stelle. Und daher möchte ich das sage dir jetzt einfach so ins Blaue hinein am liebsten einen Beweis finden. Selber wäre ich nicht aber vielleicht woanders entdecken können. Einen Beweis dafür, dass jede gerade Zahl als Summe von zwei Primzahlen zum Beispiel gesehen werden kann oder ähnliche mathematisch unlösbare Probleme. Die finde ich spannend und das wäre toll. Das zweite wäre schon etwas realer und betrifft mich genauso. Es wäre für mich ein ganz toller Moment, wenn ich alle die Gefangenen, die ich in Haft kennengelernt habe und noch immer dort weiß, sind mehr als 100 auf jeden Fall, die ich also in Unfreiheit momentan mir vorstelle und mit denen ich Briefkontakt habe. Wenn ich mit solchen Menschen dann ein erstes Mal mich in Freiheit getroffen habe, war es immer schön. Und das wäre für mich auch ein schöner Traum, geradezu, dass noch in einem letzten Jahr zu leben. Und als drittes würde ich ganz gerne mit meinen Söhnen, meiner Frau und wahrscheinlich einem Freund gerne eine lange, ausgedehnte, abenteuerliche, vielleicht sogar aber auch erholsame Reise machen. Das kann in Skandinavien, es kann an der Westküste Amerikas oder irgendwo auch in Österreich, im Salzkammergut, oder im schönen Kärnten sein, einen gemeinsamen guten Ausflug in die Weite unserer Natur.